Die Entwicklung in der Düngemittelindustrie schritt gegen Ende des 19. Jahrhunderts rasch voran. Ende der 1870er-Jahre entdeckt und im Winter 1882/83 in Deutschland erstmals als Dünger verwendet, gewann Thomasphosphat (auch als „Thomasmehl“ bekannt) als günstige Alternative zu den aus Übersee importierten Salpeter und Guano zunehmend an Bedeutung. Die phosphathaltige Schlacke, ein Abfallprodukt der Thomasstahlerzeugung, konnte in gemahlenem Zustand als Dünger verwendet werden. Vertrieben wurde Thomasphosphat u. a. vom Verein Deutsch-Österreichischer Thomasphosphatfabriken unter der sogenannten „Sternmarke“. Der fünfstrahlige Stern mit zentralem Punkt (Abb. 1,3) ist seit Ende des 19. Jahrhunderts als Markenzeichen bekannt. Eine der Borghorster Plomben stammt vom Hörder Bergwerks- und Hüttenverein (Abb. 2,3), der Mitglied dieser Industrievereinigung war. Seit 1880 stellte man in Dortmund-Hörde Thomasstahl her. Ab 1926 ging der Betrieb in der Vereinigte Stahlwerke AG auf.
Neben Guano, Super- und Thomasphosphat düngte man in Borghorst auch mit Kalisalz. Davon zeugen mehrere Plomben mit Schlägel und Eisen (Abb. 1,2), einem bergmännischen Symbol, und umseitig dem Kürzel „D.K.“ (Abb. 2,2). Dahinter verbirgt sich das Deutsche Kalisyndikat, das bereits 1888 als Zusammenschluss der Eigentümer der damals sieben Kalisalzwerke in Staßfurt-Leopoldshall (Sachsen-Anhalt) gegründet und 1910 als Kalisyndikat GmbH nach Berlin verlegt wurde. Ab 1919 entstand ein Zwangssyndikat, die Deutsche Kalisyndikat GmbH, dem alle deutschen Kalisalzproduzenten beitreten mussten und das erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten aufgelöst wurde. Die Plomben mit dem Kürzel „D.K.“ ohne weitere Beischrift dürften aus der Zeit des Zwangssyndikats stammen.
Die hier vorgestellten Plombenfunde aus Steinfurt-Borghorst spiegeln, wenn auch nur ausschnitthaft, sehr anschaulich die eingangs beschriebene Agrarrevolution im 19. Jahrhundert und die „allgemein gewordene“ Verwendung von industriell hergestelltem bzw. aufbereitetem Dünger. Sie bieten auf diese Weise einen Einblick in die Agrargeschichte dieser Zeit, den man den unscheinbaren Fundstücken auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte.
Text: Dr. Kai Niederhöfer