Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Archäologie – Zwischen Schaufel, Scherben und Geschichte

29.09.2025 Sandra Michalski

Heek-Nienborg, Feinputz für die Fotodokumentation. (Foto: LWL/B. Grundmann)

Wenn man an Archäologie denkt, fallen den meisten sofort Indiana Jones oder Lara Croft ein mit Goldschätzen, mystischen Ruinen und versteckten Grabkammern. Mein FSJ war weniger Hollywood, aber dafür umso spannender, lehrreicher und näher an der echten Arbeit mit Geschichte und Kultur.                                                                                                            

Nach dem Abitur wusste ich, dass ich später etwas mit Geschichte machen möchte. Doch direkt studieren, kam für mich nicht infrage. Gleichzeitig war ich unsicher, ob nur Geschichte zu studieren wirklich die richtige Wahl wäre, da die Zukunftsperspektiven in der Hinsicht nicht unbedingt rosig aussehen. Da kam mir die Möglichkeit eines FSJ im Bereich der Archäologie gerade recht: ein Jahr lang Geschichte nicht nur aus Büchern, sondern mit den eigenen Händen zu erleben.

Im Außendienst....

Ich selber habe bei vielen verschiedenen Grabungen teilnehmen können, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Ob eine Flächengrabung innerhalb der Kirche St. Johannes in Dortmund oder eine kleinere Grabung im Weltkulturerbe Kloster Corvey mit Funden, die wahrscheinlich auf die Anfangszeit des Klosters zurückzuführen sind, alles war dabei und langweilig wurde es nie.

Aber wie sieht eine Grabung eigentlich aus?

Am Morgen geht es meist etwas früher los. Zuerst wird die Grabungsfläche vorbereitet. Das heißt Erde abtragen, entweder mit Schaufel oder auch mal mit einem Bagger. Dann durfte ich anfangen Plana und Profile anzulegen und zu putzen. Das bedeutet mit Maurerkellen und feineren Kratzern die Flächen langsam abziehen, damit man die verschiedenen Strukturen im Boden sehen kann. (Abb.1) Dabei kann man dann Scherben, Nägel oder sonstige Gegenstände finden, an denen man die verschiedenen Bodenstrukturen datieren kann. Denn es geht nicht immer nur darum irgendwelche Mauern oder ähnliches zu finden. Häufig reicht die winzigste Verfärbung aus, um zu erkennen, dass hier vor Jahrhunderten ein Pfosten oder auch ein Gebäude stand. Um diese Verfärbungen möglichst genau zu dokumentieren, werden verschiedene Methoden angewandt. So muss alles erstmal genauestens mit Beschriftung fotografiert werden. Danach können die verschiedenen Profile und Plana gezeichnet werden. Mag ein wenig altmodisch klingen, ist aber immer noch eine gute Methode, um die Befundgrenzen genau aufzunehmen, da öfters durch fehlerhafte Belichtung diese auf Fotos nicht gut zu erkennen sind. Auf einer Grabung in Heek-Nienborg hatte ich dazu auch die Möglichkeit und konnte ein Profil mit einem mittelalterlichen Brunnen zeichnen (Abb.2). Nach der Freilegung werden die Funde und Befunde direkt dokumentiert: Sie werden vermessen, fotografiert und nummeriert, bevor sie verpackt werden. So durfte auch ich einige Funde eigens vermessen und die Fundzettel schreiben auf denen genau notiert wird, wo man was gefunden hat.

Highlight für mich war dabei eindeutig das Ausgraben einer richtigen Bestattung. Dabei geht man nämlich in kleinen 5 cm Abständen immer tiefer, um die Knochen möglichst in ihrem Originalzustand dokumentieren zu können, ohne deren Position zu verändern. Das dauert zwar länger und ist ein wenig umständlicher, aber für die Dokumentation ungemein wichtig. Es war sehr interessant zu sehen, wie Stück für Stück die verschiedenen Knochen zum Vorschein kamen. (Abb.3)

Heek-Nienborg, Maßstabsgerechte Zeichnung eines Brunnenprofils. (Grafik: LWL/H. Bröcker)

Im Innendienst...

Wenn es gerade mal keine Grabung gab, an der ich mithelfen konnte, war ich im Innendienst. Dabei durfte ich beim aktuellen Projekt um das Kloster Corvey in Höxter mitarbeiten. In diesem Projekt geht es darum Alt-Grabungen, die seit ungefähr 1900 dort stattgefunden haben, aufzuarbeiten und somit eine Übersicht dieser zu schaffen. Im Zuge dessen konnte ich teilweise zu Grabungen recherchieren und Zusammenhänge aus verschiedenen Maßnahmen bzw. Akten bilden.

Des Weiteren konnte ich abseits vom Corvey-Projekt ein wenig in die Archivwelt reinschnuppern, indem ich Pläne von verschiedensten Grabungen fotografieren, sortieren und grob dokumentieren durfte.

Und was war sonst noch...

Das ganze Freiwillige Soziale Jahr wurde bei mir von der Jugendbauhütte (JBH) Westfalen begleitet.  Die JBH ist ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und war für mich immer eine Anlaufstelle, wo man jegliche Fragen klären konnte. Außerdem wurden die Seminare (von denen man sechs im ganzen Jahr hat) von der JBH geleitet. Bei diesen Seminaren durften wir verschiedenste Bereiche der Denkmalpflege kennenlernen, sodass wir uns zum Beispiel in einem Seminar selber Steinbildhauen versuchen konnten oder auch mal Ansätze der Holzrestaurierung eines alten Schrankes ausprobiert haben. Abseits vom Fachlichen ging es bei den Seminaren aber auch darum sich mit den FSJlern aus den anderen Einsatzstellen über die eigenen Erfahrungen im Arbeitsalltag auszutauschen und generell kennenzulernen, was es außerhalb meiner eigenen Arbeitsstelle noch für andere Berufe in der Denkmalpflege gibt.

Außerdem hatte ich im Juli die Möglichkeit durch die Jugendbauhütte am Fluthilfecamp 2025 im Ahrtal mit einigen FSJlern aus ganz Deutschland teilzunehmen. Nach der Flutkatastrophe 2021 wurde dieses Camp ins Leben gerufen, um mithilfe von Freiwilligen die historischen Gebäude zu retten, die durch die Katastrophe zerstört worden sind. Somit erlernte ich zum Beispiel das Mauern mit Lehmziegeln und wie ein maroder Holzriegel eines Fachwerkhauses erneuert wird. Abends kam man dann mit aktiven FSJlern wie auch ehemaligen Freiwilligen zusammen und ließ gemächlich den Tag ausklingen. Insgesamt hat auch diese Aktion sehr viel Spaß gemacht und mich ungemein in der Praxis mit Denkmälern weitergebracht.

Für wen eignet sich ein FSJ in der Archäologie?

  • Für alle, die sich für Geschichte, Kultur und Wissenschaft begeistern.
  • Für Menschen, die gerne draußen arbeiten und auch körperlich zupacken wollen.
  • Für diejenigen, die ausprobieren möchten, ob ein Studium oder ein Beruf in diesem Bereich zu ihnen passt.
Dortmund-Lindenhorst St. Johannes, Freilegung einer Bestattung. (Foto: LWL/G. Verhalen)

Fazit

Mein FSJ in der Archäologie war ein unvergessliches Jahr voller Erfahrungen, die man in keinem Geschichtsbuch findet. Ich habe mich im Referat für Mittelalter und Neuzeit in der LWL-Archäologie sehr wohl gefühlt und bin mir sicher, dass man sich nochmal über den Weg laufen wird. Das FSJ hat mir nicht nur geholfen, mich beruflich zu orientieren, sondern auch gezeigt, wie spannend und lebendig die Vergangenheit sein kann, wenn man ihr auf den Grund geht – im wahrsten Sinne des Wortes.

Autorin: Hannah Bröcker