Neues von der Herforder Kirchgasse

28.09.2023 Corinna Hildebrand

Als im Juni 2022 ein Grabungsteam der Archäologie am Hellweg eG untersuchte, in welchem Maße noch Überreste der früheren Bebauung in der Kirchgasse im Boden erhalten sind, stieß es auf einen Keller und Grundmauern, die historische Stadtpläne bestätigen und ergänzen. An einigen Stellen konnten bereits Spuren aus der Frühzeit des Radewicks, einem mittelalterlichen Handelsort westlich des Damenstiftes, nachgewiesen werden.
Zum Ende dieser ersten Sachstandsermittlung stießen die Ausgräber:innen dann in 60 cm Tiefe auf eine dunkle, stellenweise mächtige Brandschicht, die vom Stadtbrand im Jahr 1638 stammt und der damals sämtliche Häuser im Umfeld zum Opfer fielen.

Markus Hirnich gräbt den im 17.Jahrhundert verschütteten Keller aus. Foto: LWL/S. Spiong

Der Stadtbrand von 1638 als Einschnitt in die städtische Bebauung?

Es galt nun in der Fortsetzung der Ausgrabung der Frage nachzugehen, inwiefern der Wiederaufbau nach der Brandkatastrophe die Struktur der neuen Bebauung bezüglich Baufluchten und Grundstücksgrenzen an die Verhältnisse vor 1638 anknüpfte.
An der Kirchgasse erschien direkt unter der Brandschicht ein Fundament, das sich über einen Großteil des Grundstückes erstreckte. Das Fundament stammt von einem 1638 abgebrannten Fachwerkhaus, dessen Fassade an der Straße nicht über die Grundstücksgrenzen nach 1638 reichte und im Ostteil noch Platz für einen Durchgang in den hinteren Grundstücksbereich ließ, der wahrscheinlich als kleiner Garten genutzt wurde.
Ein wahrscheinlich zu diesem Gebäude gehörender kleiner Keller wurde nun im mittleren Grundstücksareal freigelegt. Hier haben sich sogar noch Reste vom Kalkputz an den Kellerwänden und Reste vom Estrich auf dem Kellerboden erhalten. Eine noch nicht restaurierte Münze des 16./17.  Jahrhundert stammt aus der Kellerverfüllung und zeugt davon, dass auch der Keller im Zuge des Brandes verfüllt wurde.

Monumentale Architektur auf repräsentativen Grundstücken?

Auf dem Westteil der Grabungsfläche legten die Ausgräber:innen den letzten Rest eines ehemals  repräsentativen Gebäudes frei. Die Mauerstärke von einem Meter deutet auf ein Haus, das zumindest im Erdgeschoss aus Bruchstein gemauert war. Ursprünglich erstreckte sich dieses Gebäude bis ins heutige westlich angrenzende Nachbargrundstück. Demnach waren beide Grundstücke ursprünglich zusammen im Besitz eines Bauherrn. Dieses Grundstück ist demnach erst später geteilt worden.
Der kleine Grabungsausschnitt und die wenigen erhaltenen Fundamentreste lassen weitergehende Schlüsse insbesondere zur Größe und zum Alters dieses Gebäudes bisher leider nicht zu.

Konstantin Fried bei der Entdeckung der letzten Fundamentreste eines beim Stadtbrand 1638 abgebrannten Fachwerkhauses. Foto: LWL/S. Spiong

Zeugnisse aus der Frühzeit des Radewiek

In der Frühzeit des Handelsortes standen auf dem jetzt untersuchten Areal weitläufige Pfostenbauten. Standspuren der das Dach tragenden Hauspfosten haben sich in den später nicht unterkellerten Flächen noch gut erhalten. Auch Gruben, die für die Entnahme von Lehm für die Wände angelegt wurden liefern dem Grabungsteam Hinweise auf das Alter der Holzbauten, denn Keramikscherben der Zeit um 1000 gelangten in die Verfüllung dieser Gruben.

Anders als auf großflächigen Ausgrabungen außerhalb mittelalterlicher Städte stellt die Grabungsfläche das Grabungsteam vor besonderen Herausforderungen, denn häufig sind es nur kleine Bruchstücke alter Relikte, die sich unter den jeweils jüngeren Bauspuren erhalten haben.
Diese einzelnen Teile wie bei einem Puzzle zu einer 1000 Jahre dauernden Bauabfolge wieder zusammenzusetzen und in den historischen Rahmen einzuordnen, stellt eine knifflige Aufgabe dar, der sich die Grabungsleiterin Dr. Eva Manz gerne stellt.

 

Text: Sven Spiong