Gronau-Markenfort: Archäologische Ausgrabungen abgeschlossen

13.09.2024 Sandra Michalski

Die Grabungsfläche aus der Luft. (Foto: R. Bieze, Salisbury Archäologie GmbH)

Am nördlichen Rand der Stadt Gronau (Westf.), in weniger als 1 km Entfernung zur niederländischen Grenze, soll ein Neubaugebiet im Bereich des ehemaligen Bauernhofs Markenfort entstehen.
Durch eine Voruntersuchung der LWL-Archäologie für Westfalen im Jahr 2020 ist bekannt, dass in diesem Bereich eine bedeutsame archäologische Fundstelle liegt.
Die Stadt Gronau beauftragte deshalb die Fachfirma Salisbury Archäologie GmbH mit den notwendigen bauvorgreifenden archäologischen Ausgrabungen.

Die Grabungsleitung teilten sich Gerard Aalbersberg und Stephan Deiters; die Ausgrabungen dauerten von Februar 2023 bis August 2024, also etwa 18 Monate.

Die Fundstelle liegt etwa 350 m östlich der Dinkel in etwas erhöhter Lage über der Flussniederung. Unter vor- und frühgeschichtlichen Bedingungen stellte dies eine vorteilhafte Siedlungslage dar: In der Nähe eines Fließgewässers, dabei aber hochwassergeschützt und gleichzeitig am Schnittpunkt verschiedener Biotope, so dass man mehrere unterschiedlich nutzbare Landschaftselemente in der Nähe hatte. Tatsächlich stellte sich im Laufe der Ausgrabung heraus, dass der Ort immer wieder Menschen angezogen hat, wie Funde und Befunde gänzlich unterschiedlicher Zeitstellung zeigen.
Die ältesten Funde stammen aus der Steinzeit, genauer gesagt aus dem Mesolithikum. In dieser Zeitperiode lebten nach dem Ende der letzten Eiszeit Gruppen von Menschen in der wieder bewaldeten Landschaft. Sie ernährten sich von der Jagd, dem Fischfang und dem Sammeln von Früchten, Nüssen u.ä. Diese Lebensweise erforderte eine relativ häufige Verlegung der Lagerplätze, um die Nahrungsversorgung sicherzustellen.

Bei aufwändigen Rasteruntersuchungen im Westen der Fundstelle, bei denen der gesamten Aushub durchgesiebt wurde, wurden mehr als 8.000 FeuersteinArtefakte dieser Zeit gefunden. Viele davon stammen aus einer ehemaligen Senke, die schon vor langer Zeit verfüllt worden war.

Eine genauere Analyse zeigt, dass Mesolithiker ab etwa 7.000 v. Chr. (möglicherweise auch schon deutlich früher) hier über einen langen Zeitraum wiederholt ihr Lager aufschlugen.
Zusätzlich lassen insbesondere charakteristische Pfeilbewehrungen aus Feuerstein darauf schließen, dass diese Jäger und Sammler nicht isoliert lebten, sondern Kontakte zu weiter westlich lebenden Gruppen in den Niederlanden und Belgien gehabt haben müssen (sog. Rhein-Maas-Schelde-Gruppe).

Mitarbeiter der Grabungsfirma bergen ein Keramikgefäß aus dem Boden. (Foto: A. Rokicka, Salisbury Archäologie GmbH)

Aus den darauffolgenden Zeitstufen Neolithikum und Bronzezeit gibt es einzelne Funde, die menschliche Aktivitäten am Ort belegen.
Ansonsten gibt es aus jüngerer Zeit sehr viele Siedlungsbefunde, die praktisch über die gesamte Fläche verteilt sind, sowie Gräber, die im Nordosten konzentriert sind.
Die Siedlungsbefunde stammen – soweit bislang erkennbar – aus der Eisenzeit und der darauffolgenden römischen Kaiserzeit: Zahlreiche Pfosten, die teilweise Gebäudegrundrisse erkennen lassen, Vorratsgruben, Feuerstellen, Meiler etc.
Bei diesen Siedlungsbefunden handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Reste von einem
oder mehreren sog. Wandergehöften – Bauernhöfe, die von Zeit zu Zeit etwas verlegt wurden.

Zudem gibt es auch mehrere Hinweise auf Verhüttung und Weiterverarbeitung von Eisen am Ort, ebenso Funde, die die Herstellung von Textilien am Ort belegen.

Das älteste Grab am Ort stammt aus der ausgehenden Jungsteinzeit oder der frühen Bronzezeit (ca. 2.600 bis 1.600 v. Chr.). Bei dem sog. Körpergrab wurde ein charakteristisches Keramikgefäß (von dem nur noch Reste gefunden wurden) und eine große Feuersteinklinge beigegeben.

Eine Drohnenaufnahme zeigt die kreisrunde Einhegung eines der Gräber aus der Eisenzeit. (Foto: R. Bieze, Salisbury Archäologie GmbH)

Die übrigen Gräber am Ort sind anscheinend alle jünger.
Neben 14 sog. Brandgräbern, in denen die Überreste verbrannter Menschen bestattet wurden, wurden auch mindestens drei kreisförmige Grabeinhegungen entdeckt, die einstmals Gräber umgaben und in deren Innenbereich ursprünglich Grabhügel aufgeschüttet waren, die aber später eingeebnet wurden.
So weit datierbar stammen die Brandgräber aus der Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit, die Grabeinhegungen lediglich aus der Eisenzeit. Möglicherweise ist ein Teil von ihnen aber auch älter, d.h. bronzezeitlich.

Nach einigen Jahrhunderten der Nicht-Nutzung, in denen das Areal höchstwahrscheinlich wiederbewaldet war, wurde es seit dem Mittelalter dann als Acker genutzt. Vermutlich gehörte dieser zum Hof Markenfort, der erstmals im Jahr 1188 urkundlich erwähnt wurde (als „Marckincvort“).
Nach Ausweis einiger Funde wurde hier ab dem 12. oder 13. Jahrhundert die sog. Plaggeneschdüngung praktiziert, die nach und nach zu einem deutlichen Anwachsen des Oberbodens führte.
In diesem Zusammenhang ist ein Befund im Nordwesten der Grabungsfläche von besonderem Interesse: Dort wurden auf einer Länge von 13 m Karrenspuren beobachtet. Diese waren etwa 1,15 m breit, was auf die Nutzung eines relativ kleinen, einachsigen Karrens hindeutet. Diese Karrenspuren sind eindeutig älter als die Eschauflage und hängen möglicherweise mit der Urbarmachung des Areals zusammen, als sicher nicht nur Bäume gerodet, sondern auch einige Geländeunebenheiten ausgeglichen wurden, wofür einiges an Boden bewegt werden musste.

Deutlich sind die weißlichen Karrenspuren nach vielen Jahrhunderten im Boden zu erkennen. (Foto: R. Bieze, Salisbury Archäologie GmbH)

Autoren: Stephan Deiters und Gerard Aalbersberg
(Grabungsleiter Salisbury Archäologie GmbH)

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Schlagworte: Neolithikum · Bronzezeit