Über 100 Jahre Forschung – Der Vorabend eines archäologischen Projektes zur frühen Eisengewinnung im Siegerland

28.03.2024 Sandra Goertz

Mit diesem Lebensbild stellte Hartmut Laumann in den 1990er Jahre die Landschaftsnutzung im Sievgerland zur jüngeren Eisenzeit dar (Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/Andreas Müller).

Start unserer Blog-Reihe zu einem besonderen Projekt

Am Wochenende vom 03. bis 05. Mai 2024 wird in Siegen-Niederschelden, Kr. Siegen-Wittgenstein, ein NRW-weit einmaliges denkmalpädagogisches Projekt eingeweiht. Es handelt sich um die konservierte Ausgrabung überregional einzigartiger Verhüttungsbefunde der Eisenzeit sowie des Hochmittelalters in einem Schutzbau. Dieser ist in einem Themenpfad eingebettet – der EisenZeitReiseWeg – der die Besuchenden per Zeitreise von der Gegenwart bis in die Keltenzeit führt.

Die LWL-Archäologie für Westfalen hat erheblichen Anteil an der erfolgreichen Umsetzung dieses Projektes. Mit einer Miniserie auf dem Blog der LWL-Archäologie für Westfalen möchten wir daher die Entwicklung des Projektes beschreiben. Wir laden herzlich zur Eröffnung ein

Otto Krasa erläutert im Engsbachtal einen ausgegrabenen eisenzeitlichen Verhüttungsöfen seinen nur teilweise aufmerksamen Schülern (Fotograf unbekannt).

Wie alles begann

Das Siegerland mit seinen reichen Eisenerzvorkommen war bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Forschungsgegenstand zur frühen Eisengewinnung. Am Beginn stand die Entdeckung zahlreicher Schlackenhalden vor allem im Gebiet der heutigen Stadt Siegen. Dem Heimatforscher Otto Krasa gelang es durch – leider meist kaum dokumentierte – Schürfe, datierbare Keramik zu finden, er grenzte eine eisenzeitliche und eine mittelalterliche Produktionsphase ab und legte zahlreiche imposante Verhüttungsöfen frei. Höhepunkt dieser frühen Forschungsphase waren zwei Großflächengrabungen 1933-34, die die gerade erst entstandene Archäologische Denkmalpflege zusammen mit dem Museum Siegen koordinierte. Eine dieser Grabungen war im Engsbachtal in Siegen-Achenbach und die zweite im Tal der Minnerbach in Siegen-Winchenbach. Beide Projekte legten eine Vielzahl an aussagekräftigen Ofenbefunden der Eisenzeit frei. Sie stellten die progressivsten archäologischen Ausgrabungen zur frühen Eisenmetallurgie im Deutschen Reich dar und entfalteten eine enorme Wirkung in die archäologische Wissenschaft und in die Region.

Der Zweite Weltkrieg und besonders die allgemeine Vereinnahmung der vorgeschichtlichen Archäologie in die Blut- und Boden-Ideologie des NS-Systems bewirkten von 1940 bis in die 1950er Jahre eine weitgehende Unterbrechung der wissenschaftlich fundierten Forschung zur frühen Eisenproduktion. Auch danach konnte die Archäologische Denkmalpflege mangels Personals über Jahrzehnte kaum die bisherigen Forschungen fortführen und die ehrenamtlichen Akteure verschwanden zusätzlich.

Diorama zur frühen Eisengewinnung im Deutschen Museum München mit der Darstellung des Forschungsstandes aus dem 1930 Jahren im Siegerland (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Michael Baales).

Nach dem Krieg

Erst mit der Gründung der Außenstelle Olpe 1982 infolge des neuen Denkmalschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen fand ein grundlegender Wandel statt. Besonders der Denkmalpfleger Hartmut Laumann suchte die altbekannten Fundstellen auf, stellte den Forschungsstand zusammen und widmete sich intensiv der eisenzeitlichen Montanregion Siegerland. Laumann beeinflusste Interessierte der Region sich der Thematik zu widmen und Schlackenhalden oder künstliche Terrassen (Podien) zu suchen und zu kartieren.

Zu Laumanns größten wissenschaftlichen Verdiensten zählt, dass er erstmals ein gesamtheitliches fundiertes Konzept entwickelte, diese frühe Montanregion zu begreifen: Laumann diskutierte eine Produktionslandschaft aus Verhüttungsbetrieben in den Tälern, Siedlungen in den Mittelhanglagen sowie Friedhöfen und Wegetrassen auf den Höhenzügen. Der Forscher versuchte nun ein finanziell gut ausgestattetes Forschungsprojekt zusammen mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum (Andreas Hauptmann) und der Ruhr-Universität Bochum (Volker Pingel) zu initiieren. Leider wurde aber der Projektantrag bei der VW-Stiftung abgelehnt.

Hartmut Laumann (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Hermann Menne).

Im Jahr 2000 fand eine Notgrabung der Außenstelle Olpe in der Wartestraße in Siegen-Niederschelden statt. Die Grabungen waren trotz ihrer kurzen Dauer von wenigen Wochen ein Meilenstein der deutschen Montanarchäologie: Die Archäologen legten gleich mehrere hervorragend erhaltene Verhüttungsöfen der jüngeren Eisenzeit frei. Beispielsweise wurden mit modernster Grabungsdokumentation bewiesen, dass die Form der eisenzeitlichen Öfen tatsächlich kuppelförmig war – ein Aspekt, der mittlerweile von vielen Forschern infrage gestellt worden war.

Diese herausragende Ausgrabung hätte sicherlich Laumann die Möglichkeit eröffnet, nun doch erfolgreich Fördermittel für weitergehende Forschungen zu beantragen. Dazu kam es aber nicht mehr: Hartmut Laumann starb nach kurzer und schwerer Krankheit 2001.

Einer der 2000 in der Wartestraße ausgegrabenen Ofen im Profil. Deutlich sind die große Dimension und die Birnenform zu erkennen (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Hermann Menne).

Der Neuanfang

Ein neuer Akteur betrat die Bühne: Das Deutsche Bergbau-Museum mit Thomas Stöllner nahm sich dem Themenfeld an. Unterstützt durch Heimatforscher und dem neuen Außenstellenleiter in Olpe, Michael Baales, wurden ab 2002 Prospektionen und teilweise umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt. Das Deutsche Bergbau-Museum begann alle Fundstellen der Thematik zu erfassen und Jennifer Garner wertete die wichtigen Ausgrabungen der Wartestraße in einer Magisterarbeit aus.

Thomas Stöllner erreichte die Drittmittelförderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und ein neues Pilot-Forschungsprojekt zur frühen Eisenerzeugung im Siegerland war 2007 geboren. Gegenstand des Pilotprojektes war die Auffindung von montanarchäologischen Fundstellen, die erfolgreiche weiterführende Forschungen erwarten ließen. Ziel war, möglichst eine Fundstelle zu entdecken, wo die eisenzeitliche Werkstatt möglichst wenig durch nachfolgende Epochen gestört war. Nur so würde es möglich sein, endlich die Betriebsorganisation der Eisenzeit im Siegerland zu verstehen oder gar Berechnungen zu machen, wie hoch die Produktion der Vorgeschichte war.

Nach vielen Begehungen und kleinen archäologischen Sondagen war die Lage klar: Eine künstliche Terrasse in einer Wiese im Tal des Gerhardsseifens würde im Fokus der montanarchäologischen Forschung der nächsten Jahre stehen …

Text: Manuel Zeiler

Kategorie: Außenstelle Olpe

Schlagworte: Olpe · Siegerland · Montangeschichte