Archäologie ist keine Schatzsuche und Denkmalschutz keine Schikane – Häufig gestellte Fragen zum Denkmalschutz und zur Denkmalliste

16.05.2024 Kai Niederhöfer

Archäologie ist keine Schatzsuche und Denkmalschutz keine Schikane

Häufig gestellte Fragen zum Denkmalschutz und zur Denkmalliste

Durch die Novellierung des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes (DSchG NRW) ist geregelt, dass die Fachämter für Bodendenkmalpflege – in Westfalen-Lippe ist das die LWL-Archäologie für Westfalen – ab dem 1.1.2025 für das Führen der Denkmalliste zuständig sein werden (Zum Beitrag "Neue Stellen für die Denkmalliste"). Eine Frage, die in diesem Zusammenhang häufig gestellt wird und deren Beantwortung von Zeit zu Zeit zu Kontroversen heraufbeschwört, zielt auf die Möglichkeiten der Einsichtnahme in die Denkmalliste ab. Wenn solche Anfragen von den Unteren Denkmalbehörden bei den Kommunen (oder in Zukunft vom Denkmalfachamt) zurückgewiesen werden müssen, führt das häufig zu Enttäuschung bei den Anfragenden.

Tatsächlich sind aber den Denkmalbehörden und Denkmalfachämtern juristisch sehr enge Grenzen gesetzt, speziell wenn es um Bodendenkmäler geht. In § 23 DSchG NRW ist festgehalten, dass die Denkmalliste ein öffentliches Verzeichnis ist. Eine Einsichtnahme ist also zunächst einmal generell möglich. Doch wie so häufig bei Gesetzen liegen deren Tücken im Detail – so auch im Fall der Bodendenkmäler:

Das Denkmalschutzgesetz beinhaltet eine ganz wesentliche Einschränkung für Bodendenkmäler. Bei Anfragen nach Daten aus der Denkmalliste ist in diesen Fällen „ein berechtigtes Interesse dazulegen“. Eine Auskunft unterliegt also nicht, der Willkür von Behörden oder des Fachamtes. Der Nachweis eines „berechtigten Interesses“ ist auch keine Besonderheit in Nordrhein-Westfalen, sondern in gleicher oder ähnlicher Form auch in den Denkmalschutzgesetzen vieler anderer Bundesländer verankert.

Abb. 1: Archäologie ist keine Schatzsuche: Alle bei einer archäologischen Untersuchung auftretenden Befunde werden sorgfältig eingemessen und dokumentiert, um – wie in diesem Fall – später Gebäudegrundrisse aus den Pfostenspuren rekonstruieren zu können. Der Schatz, den wir nachher in den Händen halten, ist der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn. [Foto: LWL-AfW/M. Esmyol / Grafik: Pixabay/P. u. M. Lachmann-Anke / Montage: LWL-AfW/K. Niederhöfer]

Was ist ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des Denkmalschutzgesetzes?

Die Informationen über die Lage und Ausdehnung eines Bodendenkmals sind z. B. im Zuge von Bauvorhaben von Bedeutung. In Bereichen, in denen Bodendenkmäler vorhanden sind oder in denen mit dem Auftauchen noch unbekannter Bodendenkmäler bei Erdarbeiten gerechnet werden muss, liegt es im Interesse des Bauherrn, diese in den Planungen bereits berücksichtigen zu können. Ein Bodendenkmal als Hindernis in einem Bauvorhaben verursacht in der Regel zusätzliche Kosten, die man gerne im Vorfeld einkalkuliert. Daher werden die Fachämter in der Regel auch frühzeitig in Planungen mit einbezogen, um entsprechende Auskünfte geben und bei Bedarf denkmalrechtliche Auflagen formulieren zu können. Auch beim Kauf und Verkauf von Grundstücken ist das das Vorhandensein von Bodendenkmälern relevant. Sind sie in die Denkmalliste eingetragen, stellen sie vorab bekannte Lasten und Beschränkungen auf dem Grundstück dar, die Einfluss auf den Grundstückswert haben können.

Nicht zuletzt kann die wissenschaftliche Erforschung von Bodendenkmälern ein Interesse an einer Einsicht in die Denkmalliste begründen. Darunter fallen aber nur Forschungen mit wissenschaftlichen Fragestellungen. Eine Prospektion mit einer Metallsonde, das Absuchen nach Oberflächenfunden oder gar das Graben nach Bodendenkmälern als reine Schatzsuche sind kein berechtigtes Interesse im Sinne des Denkmalschutzgesetzes. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Bodendenkmals genießt hier den höheren Stellenwert.

Wieso beeinträchtigt die Bekanntgabe der Daten aus der Denkmalliste ein Bodendenkmal?

Bodendenkmäler sind, gerade wenn sie nur untertägig erhalten sind, häufig schwer von ihrer Umgebung abzugrenzen. Ist ihre Lage bekannt, so sind sie unter Umständen verstärkt durch Raubgrabungen oder Vandalismus gefährdet. Bei noch nicht abschließend eingrenzbaren Bodendenkmälern kann es zu Missverständnissen kommen, bis wohin z. B. Bautätigkeiten unschädlich sind oder schon zu Zerstörungen von Denkmalsubstanz führen können. Deswegen werden solche Informationen von den Denkmalbehörden und Fachämtern nicht ungefiltert veröffentlicht. Bei Anfragen wird stattdessen der Einzelfall geprüft, um das Bodendenkmal so gut es geht zu schützen und zu erhalten. Gerade bei neu entdeckten Bodendenkmälern müssen Archäologen zunächst prüfen, was alles zum Bodendenkmal gehört oder wie weit es sich erstreckt. Diese wissenschaftliche Qualifizierung ist elementar wichtig, um später einen optimalen Schutz gewährleisten zu können.

Abb. 2: Alle Funde bei archäologischen Untersuchungen werden sorgfältig erfasst, damit eine spätere Zuordnung zu den Grabungsbefunden gewährleistet bleibt. Nur so können Funktion und Datierung von archäologischen Befunden sicher erschlossen werden. Funde ohne Kontext mögen schön anzuschauen sein, sind aber wissenschaftlich wertlos. [Foto: Altertumskommission/K. Schierhold]

Neben dem nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz regelt auch die Denkmalverordnung NRW den Schutz von Bodendenkmälern: Es ist von einer Veröffentlichung abzusehen, „wenn diese geeignet ist, den Zustand und die Erhaltung der Denkmäler […] zu beeinträchtigen. (§ 4 Abs. 3 DenkmalVO NRW). Darüber hinaus sind auch die Eigentümer unter Bekanntgabe der anfragenden Person anzuhören, da auch sie Einwände gegen eine Veröffentlichung erheben können – verständlich, wenn es sich um Privatgrundstücke handelt.

Dass alle diese Regelungen dem Schutz des kulturellen Erbes dienen sollen, zeigt auch ein Rückblick in die Geschichte der Denkmalpflege: Seit 1914 gab es mit dem Preußischen Ausgrabungsgesetz eine erste verbindliche Regelung, die in ganz Westfalen Gültigkeit besaß. Es ist ein Vorläufer der modernen Denkmalschutzgesetze, zeigt aber mit seiner Bezeichnung direkt, was die Bodendenkmalpflege heute nicht mehr will und was ein häufiges Missverständnis hinsichtlich der Arbeit der modernen Archäologie ist. Es geht weder darum, Forschungen durch Dritte zu verhindern, noch darum, alles selbst ausgraben zu wollen. Der beste Schutz eines Bodendenkmals ist immer noch, es an Ort und Stelle unangetastet zu lassen. Mit interessierten Bürger:innen arbeiten wir übrigens seit langer Zeit sehr erfolgreich zusammen, z. B. in der Prospektion neuer, noch unbekannter Fundstellen. Aber gerade bei der archäologischen Untersuchung nach wissenschaftlichen Standards ist ausgebildetes technisches und wissenschaftliches Fachpersonal notwendig, wenn es darum geht, nicht nur einzelne Funde, sondern den gesamten Befund von Anfang an richtig einschätzen zu können, um den größtmöglichen Informationsgewinn sicherzustellen. Daher wird ein Bodendenkmal auch nur dann ausgegraben, wenn eine Zerstörung unvermeidbar ist. Solche notwendigen Ausgrabungen müssen übrigens vom Verursacher bezahlt werden. Wenn ein Bodendenkmal nicht ausgegraben wird, liegt das also nicht an Geld- oder Personalmangel, sondern daran, dass es so am besten geschützt und für zukünftige Forschungen erhalten bleibt.

Wir hoffen sehr, dass aus dieser kurzen Zusammenstellung deutlich wird, dass wir weder aus Willkür handeln, noch aus Eigennutz auf ungehobenen Schätzen sitzen und unser Wissen darüber geheim halten. Wir arbeiten jeden Tag mit Herzblut daran, die Bodendenkmäler in Westfalen-Lippe im Auftrag der Allgemeinheit zu schützen und für zukünftige Generationen zu erhalten: Wir sind keine Schatzsucher oder Glücksritter, sondern Denkmalschützer mit Leib und Seele.

Text: Dr. Kai Niederhöfer

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