Eisenschrott statt Eisenzeit

07.12.2023 Sandra Peternek

Detektorfunde vom Schachsel (Foto: LWL-AfW/P. Herschlein).

Rund 6 km nördlich von Westerkappeln in der Bauerschaft Seeste liegt das kleine Waldgebiet Schachsel, welches sich als fast kreisrunde Muschelkalkkuppe über die umgebenden Niederungen erhebt. Besondere archäologische Aufmerksamkeit erlangte das Gebiet nachdem 2012 im Digitalem Geländemodell Spuren vorgeschichtlicher Ackersysteme entdeckt wurden. Diese zeigen sich in Form von rechteckigen Parzellen, die durch flache Erdwälle begrenzt werden. Auch wenn der Name es anders vermuten lässt, stehen die Celtic Fields nicht mit den Kelten in Zusammenhang. Datiert werden die Parzellen im Allgemeinen in einen Zeitraum von der späten Bronzezeit bis zur älteren römischen Kaiserzeit, wobei der Schwerpunkt der Nutzung in der jüngeren Eisenzeit vermutet wird. Die genaue Nutzungsweise dieser Ackersysteme wird unterschiedlich interpretiert. Während manchmal die Innenflächen als Acker angesprochen werden, werden in anderen Fällen wiederum die Wälle als Äcker gedeutet. Bislang sind in Westfalen keine Celtic-Field-Systeme archäologisch untersucht worden, sodass es zurzeit noch keine Antwort auf diese Frage gibt.

Anlage des ersten Planums (Foto: LWL-AfW/I. Pfeffer).
Der Schachsel im Digitalen Geländemodell (© GeoBasis-DE / BKG (2023) CC BY 4.0)

Um diese Forschungslücke schließen zu können, führte das Team der Außenstelle Münster im November 2023 archäologische Untersuchungen an den Celtic-Fields auf dem Schachsel durch. Bei diesem Projekt konnte ich im Rahmen eines Praktikums für mein Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Münster mitarbeiten. Neben der Mitarbeit bei der Anlage der Grabungsschnitte war eine Aufgabe, das Umfeld der Grabungsstelle mit der Metallsonde zu prospektieren um dadurch eventuelle Funde aufspüren zu können, die weitere Hinweise zur Beantwortung der offenen Fragen liefern könnten.

Tatsächlich konnten zahlreiche Signale im Waldboden aufgespürt und eine Reihe von Metallfunden geborgen werden. Doch anstelle der zu erwartenden vorgeschichtlichen Artefakte erlangte ich immer wieder die Erkenntnis „Eisenschrott statt Eisenzeit“. Trotz insgesamt zweitätiger Prospektion war am Ende kein vorgeschichtlicher Metallfund vorzuweisen, dafür aber umso mehr neuzeitlicher Metallschrott. Besonders zahlreich fanden sich dabei Zündhütchen für Patronen, welche die Bedeutung des Schachsel als Jagdgebiet belegen. Die Deckel verschiedener Erfrischungsgetränke dürften meist durstige Wanderer oder Spaziergänger hinterlassen haben. Interessanter ist da schon die Frage, wie das Mobilteil eines Festnetztelefons seinen Weg in den Wald fand...

Bombensplitter (Foto: P. Herschlein).

Bei der Metallsondenprospektion fanden sich zudem mehrere schwere Eisenfragmente mit scharfen und unregelmäßigen Kanten, die als Bombensplitter angesprochen werden können. Diese Funde bezeugen greifbar die alliierten Luftangriffe während des Zweiten Weltkrieges. Die Einschlagpunkte der Bomben sind noch heute in Form tiefer Bombentrichter zu erkennen. Der Schachsel liegt nur wenige Kilometer westlich des ehemaligen Fliegerhorstes Achmer. In der benachbarten Bauerschaft Westerbeck war zudem ein Scheinflughafen mit Holzflugzeugen und Positionslampen errichtet worden, um von dem eigentlichen Flugplatz abzulenken. In den Jahren 1944 und 1945 führten die Alliierten mehrere schwere Bombardierungen des Fliegerhorstes in Achmer durch, es ist wahrscheinlich, dass in diesem Zusammenhang auch die Zeugnisse auf dem Schachsel zu sehen sind.

Münzfunde vom Schachsel (Foto: P. Herschlein).

Zu den Kleinfunden zählen mehrere neuzeitliche Münzen. Darunter ein sehr gut erhaltenes 5 Cent-Stück der Niederlande aus dem Jahr 1950 mit einem Bildnis der Königen Juliana (1949-1980). Schlechter erhalten sind dagegen ein One Cent-Stücke der United States of America und 50 Pfennig der Bundesrepublik Deutschland von 1985.

Schließlich fand sich noch ein Scheibenknopf, der auf seiner Vorderseite einen achtzackigen Stern zeigt. Diese 1 cm bis 2 cm großen, aus einer Kupferlegierung gegossenen Knöpfe weisen auf ihrer Rückseite einen rechteckigen Steg als Öse auf und werden aufgrund ihres Motivs als „Sternknöpfe“ bezeichnet. Während Knöpfe dieser Art in der Literatur zunächst in einen großen Zeitraum vom Spätmittelalter bis in das 17. Jh. datiert wurden, konnte Arne Homann die Datierung auf die Mitte des 18. Jh. eingrenzen.

Letztendlich ist es erstaunlich wieviel Müll sich selbst in einem idyllischen Wäldchen findet. Doch nicht bei jedem vermeintlichen Metallschrott handelt es sich wirklich um neuzeitlichen Abfall. Oftmals können auch solche Stücke, wie in diesem Fall die massiven Bombensplitter, greifbare Zeugnisse der neueren Geschichte darstellen und zum Nachdenken anregen. 

Blick in den Kalkbuchenwald auf dem Schachsel (Foto: LWL-AfW/I. Wopke).

Literatur:

K. Schierhold & I. Pfeffer, Vorgeschichtliche Befunde im Umfeld des Megalithgrabes von Westerkappeln-Seeste. Archäologie in Westfalen-Lippe 2017, 2018, 199-203.

I. Pfeffer, Celtic Fields – neu entdeckte eisenzeitliche Ackersysteme in Westfalen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2016, 2017, 207-211.

Th. Kleinhubert, Westerkappeln – Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg, Westfälische Nachrichten, 03.09.2009. Online unter: https://www.wn.de/muensterland/kreis-steinfurt/westerkappeln/erinnerungen-an-eine-kindheit-im-krieg-2379838 (Aufruf: 27.11.2023).

A. Homann, Sterne und Blüten... Streiflichter zur Datierung zweier Knopftypen. Archäologische Nachrichten Schleswig-Holstein 2013, 101-105.

Text: Peter Herschlein