Mehr als Lehm und Schlacken – Denkmalsicherung und -präsentation im Schutzbau

25.04.2024 Sandra Goertz

Thrill während der Errichtung des Schutzbaus: Um die sehr sensiblen Ausgrabungsbefunde musste ein Fundamentgraben gebaggert werden (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Was bisher geschah

Mit der Gründung des Trägervereins ‚Ein Siegerländer Tal e.V.‘ 2016 kam endlich Bewegung in das Projekt zur Bewahrung und Ausstellung der montanarchäologischen Befunde von über 1000 Jahren Hüttengeschichte. 2019 wurden die Befunde archäologisch unter der Leitung Jennifer Garners (Deutsches Bergbau-Museum Bochum) in Kooperation mit der LWL-Archäologie für Westfalen freigelegt und diejenigen Bereiche, die nicht im zukünftigen Schutzbau erhalten werden können, final ausgegraben (Link zu einem Blogbeitrag aus 2019 zu der Ausgrabung). Trotz widrigster Witterung konnte die Ausgrabung fristgerecht abgeschlossen werden, denn nun tickte die Uhr …

Die Zeit läuft …

Die Umsetzung des Projektes war intensiv geplant worden und die Fertigstellung für das Jahr 2020 vorgesehen. Dies bedeutete einen eng getakteten Realisierungsplan. Zuerst mussten die Fundamente des Schutzbaus angelegt werden, dann sollte dieser über die Ausgrabung gebaut werden. Erst danach war geplant, die Grabungsfläche konservatorisch zu bearbeiten. Danach – so glaubten wir damals – wäre nur noch die kulturtouristische Aufbereitung des Areals für die zukünftig Besuchenden zu erledigen. Das dies völlig anders verlaufen würde, konnte noch niemand ahnen – aber hierzu später.

Zunächst einmal verlief alles nach Plan: Erfreulicherweise folgte auf einen kalten sowie schnee- & regenreichen Frühling 2019 anschließend eine Trockenperiode, die die Tiefbauarbeiten für die Fundamentarbeiten des Schutzbaus erleichterte. Ab Ende Mai rollten die Bagger auf getrocknetem Untergrund: Während um das zukünftige Schutzbauareal eine Terrasse angelegt wurde, legte vorsichtig ein Bagger um die Befundfläche einen Fundamentgraben frei. Die Befunde waren zuvor mit Folien überdeckt und mit Sandsäcken stabilisiert worden. In einigen sehr sensiblen Bereichen des Fundamentgrabens schachteten Archäologen der LWL-Archäologie händisch den Hohlraum aus.

  • Die Fundamentgräben und Schalungen werden gesetzt und das Betonfundament gegossen (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

  • Anschließend wurde ein Metallgerüst auf das Fundament aufgebracht … (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

  • … das den Schutzbau mit Cortenstahlfassade trägt. Die Fassade nimmt dabei ästhetisch Bezug auf das Thema Eisen (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

  • Damit innerhalb des Schutzbaus gearbeitet werden kann, baute die LWL-Archäologie einen Steg ein, … (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/T. Poggel).

  • … der im Gebäude umläuft (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/T. Poggel).

  • Der Holzsteg wurde später vom Trägerverein durch einen stabileren Metallsteg ersetzt. Auch wurde das Gebäude innenisoliert und Geräte installiert, die den Luftaustausch kontrollieren (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Alles Baustelle

Unmittelbar danach wurden Verschalungen gesetzt, Armierungen eingebaut und ein Betonfundament gegossen, welches über die Grabungsfläche hinausragt. Darauf wurden Metallständer gesetzt, die die Wände und das Dach des Schutzbaus tragen, die ebenso zügig installiert wurden. Im Herbst 2019 war das geplante Bauwerk errichtet und mit großen Fenstern in den Sichtnischen versehen.

Der Moment der Wahrheit

Unter großer Spannung enthüllten wir nun die Folien und entfernten die stabilisierenden Sandsäcke. Gab es Schäden durch die Bauarbeiten? Hatten die Tiefbauarbeiten zu Erschütterungen und Rissen der Lehmbefunde geführt?

Erleichtert stellten wir fest, dass sämtliche Baumaßnahmen keine Schäden an der Denkmalsubstanz bewirkt hatten. Der immense personelle Aufwand in der Begleitung aller Teilschritte durch die LWL-Archäologie und dem Trägerverein hatte sich ausgezahlt!

Restaurator:innen der Firma ‚Restaurierung am Oberbaum GmbH, Berlin‘ widmeten sich nun sachkundig der Ausgrabungsfläche. Sie stabilisierten und reinigten das gesamte Areal und entwickelten Konzepte zur langfristigen Bewahrung der Befunde. Die Firma wurde beauftragt, da sie mit der Konservierung ähnlich komplexer archäologischer Ausgrabungsbefunde im Hafenareal der Hansestadt Lübeck jahrelange Erfahrung besitzt.

Soweit, so gut. Alles lief scheinbar nach Plan …

… und dann blieb die Zeit stehen – jahrelang

Niemand hatte 2019 mit einer globalen Pandemie gerechnet, die seit dem Frühjahr 2020 die Projektplanung durchkreuzte – über Jahre! Gleichzeitig mussten wir die Erfahrung sammeln, dass der realisierte Schutzbau nicht geeignet war, die sensiblen Befunde langfristig zu bewahren, was ganz neue Herausforderungen mit sich brachte. Schließlich hätte niemand damit rechnen können, dass sowohl die Pandemie als auch der Überfall Russlands auf die Ukraine scheinbar simple Lieferketten der globalen Wirtschaft ab 2022 durchkreuzen würden.

Der Zeitraum 2020 bis Ende 2023 stellte somit einen massiven Einschnitt für das Gerhardsseifen-Projekt dar.

Vor der Isolierung des Gebäudes gab es massiven Schimmelbefall, wie hier auf einem Ausgrabungsprofil (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Die Pandemie mit ihren vielfachen Beschränkungen durchkreuzte den eng getakteten Realisierungsplan des Projektes. Bereits im Frühjahr 2020 war daher klar, dass auf absehbare Zeit das Projekt nicht fertiggestellt werden konnte. Zugleich erwies sich der Schutzbau entgegen den Konzepten als nicht geeignet, die Befunde langfristig zu bewahren: Die Durchlüftung war nicht optimal und großflächige Befundbereiche schimmelten bei nass-kalten Witterungsphasen.

Lurchi musste ausziehen: Auch ungebetene Gäste wie dieser Molch, der es sich auf einem eisenzeitlichen Ofen gemütlich gemacht hatte, können nun nicht mehr in das Gebäude (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Auch das Eindringen von Pflanzen sowie Tieren erwies sich als problematisch. Des Weiteren mussten wir feststellen, dass die senkrechten Glasflächen der Sichtnischen zu verspiegelt sind und dass Besuchende in den Schutzbau oft nicht gut hineinschauen können.

  • Christian Weber konzipierte Abschattungen für die Nischen des Schutzbaus, …. (Grafik: Ein Siegerländer Tal/C. Weber).

  • … mit denen das Bauwerk nachträglich angepasst wurde (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Das Projekt hatte so eine existenzielle Krise erreicht. Erneut machte der Trägerverein ‚Ein Siegerländer Tal e.V.‘ aus viel Not viele Tugenden und führte das Projekt endlich in sicheres Fahrwasser: Auf Anregung des LWL-Museumsamtes wurde das Gebäude umgeplant, isoliert, mit einer Durchlüftung ausgestattet, gegen Kleintiere geschützt und die Sichtnischen abgeschattet. Ganz wesentlich wirkte hier Christian Weber vom Trägerverein, der nicht nur Problemfelder erkannte und umfassend analysierte, sondern danach die meisten nötigen Lösungsansätze entwickelte und deren Umsetzung initiierte oder selbst umsetzte.

Ewigkeitslasten und Denkmalpädagogik am Gerhardsseifen

Endlich ist die langfristige Erhaltung der archäologischen Befunde nahezu erreicht. Nahezu? Weiterhin ist der Schutzbau am Gerhardsseifen ein Experiment, bei dem immer wieder geprüft werden muss, ob die konservatorischen Maßnahmen ausreichend sind, oder ob restauratorisch die Befunde gefestigt werden müssen. Der Trägerverein und die LWL-Archäologie werden dies langfristig prüfen und optimieren – Ewigkeitslasten.

Im Schutzbau werden mit einer Licht-Audioshow spielerisch die Befunde den Besuchenenden präsentiert. Zum besseren Verständnis der mitunter komplexen Befunde werden als Hilfestellungen einige Rekonstruktionen eingesetzt, die Grafiker und Künstler Andreas Müller von der Außenstelle Olpe umsetzte. Hier im Bild: Das Reinigen des Eisens nach der Verhüttung durch Ausschmieden (Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/A. Müller).

Dann noch zu einem sperrigen Wort: ‚Denkmalpädagogik‘. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Begriff, der die Darstellung und Vermittlung von Bodendenkmälern an die Öffentlichkeit beschreibt. Denkmalpädagogik fokussiert, wie eine archäologische Stätte auf welche Art verschiedensten Besuchern vermittelt wird.

Heutzutage ist Denkmalpädagogik viel wichtiger als noch vor Jahrzehnten, da auch die Präsentation und Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte möglichst inklusiv sein soll, wozu sich insbesondere der LWL verpflichtet hat.

Sehr aufwändig haben daher der Trägerverein, das Deutsche Bergbau-Museum Bochum sowie die LWL-Archäologie für Westfalen die Darstellung der Ausgrabungsbefunde im Schutzbau und dessen Umfeld konzipiert und umgesetzt.

Um den Schutzbau herum informieren ‚gewohnte‘ analoge Medien (Tafeln) über die Keltenzeit und die mittelalterliche Hüttenphase. Im Schutzbau selbst wurden eine Vielzahl an Licht-Spots installiert. Die Besuchenden lösen per Knopfdruck eine Licht-Audio-Show aus, die mit einer Geschichte die Keltenzeit (Nische im Südwesten) und die mittelalterliche Phase (Nische im Nordosten) spielerisch erklärt und dabei die besprochenen Befundareale anleuchtet.

Natürlich ist uns klar, dass die Gesamtthematik sehr speziell ist und viele Inhalte – insbesondere zu den alten Verfahren der Eisenverhüttung – sehr komplex sind. Deswegen arbeiten wir auch mit Rekonstruktionszeichnungen, die die Prozessschritte erklären und verständlich machen. Wir danken hierbei Andreas Müller für seine ansprechenden Grafiken, die wir im Schutzbau in die Licht-Audio-Show integriert haben!

 

Text: Manuel Zeiler

Kategorien: Außenstelle Olpe · Projekte

Schlagworte: Olpe · Siegerland · Montangeschichte