Veranstaltungstipp: Besichtigung der Ausgrabung „Gerhardsseifen“

02.04.2019 Carolin Steimer

Durchatmen nach dem Regen: Was hier so idyllisch wirkt, ist eine anspruchsvolle archäologische Ausgrabung unter und neben Zelten (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Am 4. April um 10.30 Uhr und 16.30 Uhr

Ein kleines Wiesenareal liegt beschaulich im Dreiborntal westlich von Siegen-Niederschelden im Kreis Siegen-Wittgenstein. Hier – nahe dem ursprünglichen Verlauf des Baches „Gerhardsseifen“ – findet derzeit eine archäologische Ausgrabung ihren Abschluss, die ein einzigartiges montanarchäologisches Ensemble zum Gegenstand hat. Forscher des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und der Ruhr-Universität Bochum sowie der LWL-Archäologie für Westfalen legen, mit Unterstützung des Trägervereins „Ein Siegerländer Tal e.V.“ sowie der Stadt Siegen und des Kreises Siegen-Wittgensteins, außerordentlich gut erhaltene Relikte der Eisenzeit und des Mittelalters frei.

Der Treffpunkt beider Führungen findet sich per Navi-Adresse „Siegen, Am Rosengarten 58“ an einem großen geschotterten Parkplatz. Dort bitte warten und abholen lassen! (Grafik: google/LWL)

Im 3. oder 2. Jahrhundert v. Chr. planierten hier keltische Hüttenleute einen Talabschnitt und errichteten einen Verhüttungsofen, um aus Eisenerz Stahl zu gewinnen. Der Ofen musste aufgegeben werden – vermutlich, weil der ständig bedrohliche Grundwasserstand hinderlich war – und die eisenzeitlichen Handwerker bauten einen neuen Ofen hangaufwärts. Dieser ist außerordentlich gut erhalten und ein hüttentechnischer Superlativ. Denn tatsächlich waren die keltischen Öfen des Siegerlandes die größten ihrer Epoche in Europa. Archäologische Experimente mit einem Nachbau erbrachten, dass diese Öfen nicht nur große Mengen Stahl produzierten, sondern sogar kontinuierlich über lange Zeiträume gefahren werden konnten – dies galt bis dahin als Innovation des Hochmittelalters.

Stand 2012: Der am besten erhaltene Ofen der Eisenzeit nach seiner Entdeckung (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Dominic Bachmann).

Apropos Hochmittelalter: Die Fundstätte Gerhardsseifen ist nicht nur wegen ihrer eisenzeitlichen Öfen exzellent. Hier sind auch ein eisenzeitlicher Schmiedebereich sowie eine mittelalterliche Verhüttungswerkstatt erhalten. Denn zu Beginn des Hochmittelalters suchten erneut Hüttenleute die Region auf und entdeckten anhand der Schlacken den knapp tausend Jahre älteren Hüttenplatz. Die alten Schlacken wurden mit Erzen gemischt und erneut verhüttet – allerdings auf weit niedrigerem technischen Niveau: Die mittelalterlichen Öfen waren deutlich kleiner und unproduktiver als die Eisenzeitlichen. Am „Gerhardsseifen“ kann dies direkt verglichen werden, denn dort befinden sich nämlich zwei Grundrisse mittelalterlicher Anlagen dicht neben dem am besten erhaltenen keltischen Ofen.

Stand 2012: Der weniger gut erhaltene Ofen der Eisenzeit nach seiner Entdeckung (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Dominic Bachmann).

Während drei aufwändigen Grabungskampagnen (2009-2010 u. 2012) wurde die mehrphasige Werkstatt freigelegt und eine Vielzahl an Befunden dokumentiert. Ihre außerordentlich gute Erhaltung sowie die Gruppierung von Hüttenanlagen gleich mehrerer Epochen auf engem Raum führten zur Initiative der Waldgenossenschaft sowie der Heimatgruppe Niederschelden und dem Heimatbund Siegen-Wittgenstein, das Ensemble zu erhalten, um es der Öffentlichkeit langfristig zu präsentieren. Die Archäologen begrüßten die Idee und verwahrten die sensiblen Befunde: Sie wurden mit Erdsäcken stabilisiert, mit Planen bedeckt mit Holzkonstruktionen verschalt und schließlich tonnenweise mit Erde bedeckt. Diese Maßnahmen waren notwendig, da abzusehen war, dass das Grabungsareal sowohl von Frost, Hochwasser als auch von Trockenperioden betroffen sein würde – und das geschah auch massiv.

  • 2012 wurden die sensiblen Befunde verkleidet und mit Holzverschalungen gegen Druck von oben verkleidet (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

  •   Über die Holzverschalung wurde Folie gelegt  (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

  • Über die Folie wurde schließlich Erde gekippt (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

  •   Das gesicherte Areal 2012 war umfangreich, weswegen niemand – trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen – ahnen konnte, was nach sieben Jahren erhalten war (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

  • 2019: Das geschützte Areal ist stark eingewachsen (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

Sieben Jahre später ist es nun soweit: Die Mittel für Konservierung und Schutzbau stehen Dank der NRW-Stiftung sowie Sponsoren der heimischen Wirtschaft bereit und die Archäologen begannen erneut ihre Arbeit 2019. Damit die Realisierung des Schutzbaus zeitnah ohne Winterpause an die archäologischen Arbeiten anschließen kann, begannen die Ausgrabungen bereits im zeitigen Frühjahr. Dies stellte die Forscher aber vor große Schwierigkeiten, die witterungsbedingt wochenlang durch Frost und vor allem durch hohe Niederschläge charakterisiert waren. Erst nach drei Wochen Freilegung konnten die Schutzmaßnahmen aus dem Jahr 2012 abgebaut werden.

09 Mittels Bagger und per Hand wird das Areal freigelegt (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

Der Moment der Wahrheit: Das Abdecken der Schutzanlagen aus 2012 war der spannendste Moment der Maßnahme: Waren die Schutzmaßnahmen damals ausreichend? Welche Einwirkungen hatten massive Wassereinwirkungen oder gar das Hochtemperaturextrem 2018 mit großer Trockenheit auf die Befunde?

Unter der Erdaufschüttung fanden sich die verzimmerten Verschalungen deformiert, was Bedenken auslöste. Als aber die Verzimmerungen abgetragen und die darunter unbeschädigten Folien angetroffen wurden, war klar, dass ein Highlight Siegerländer Montangeschichte unbeschädigt war. Tatsächlich fanden die Archäologen alle Befunde im Zustand von 2012. Sie wurden nun erneut freigelegt und ihr Umfeld ausgegraben. Denn das Umfeld wird nicht Teil des Schutzbaus sein und muss daher vorher archäologisch ausgegraben sein.

  • Ständiger Regen und aufsteigendes Grundwasser behinderten die Arbeiten (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

  • Ständiger Regen und aufsteigendes Grundwasser behinderten die Arbeiten (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

  • Die massive mittelalterliche Halde wurde per Bagger abgetragen um die darunter befindlichen eisenzeitlichen Strukturen zu finden. Ständiger Regen und aufsteigendes Grundwasser behinderten aber die Arbeiten (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Patricia Bock).

Die archäologischen Arbeiten nähern sich ihrem Abschluss: Gemeinsam mit Konservatoren der Restaurierung am Oberbaum GmbH werden Konzepte zur Verwahrung, Konservierung und Darstellung erarbeitet, während besonders der Trägerverein einen Themenwanderweg zur und von der Grabungsstelle erarbeitet.

Die massive mittelalterliche Halde wurde per Bagger abgetragen um die darunter befindlichen eisenzeitlichen Strukturen zu finden. Ständiger Regen und aufsteigendes Grundwasser behinderten aber die Arbeiten (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Patricia Bock).

Wir möchten an diesem wichtigen Zwischenstadium Interessierten die Möglichkeit zum Einblick geben: Schauen Sie vorbei und betrachten Sie tausend Jahre Hüttengeschichte an einem Ort. Warum war die keltische Technologie so hochentwickelt? Wie funktionierte sie? Warum verschwand sie zusammen mit der keltischen Zivilisation? Warum brauchte es 1000 Jahre bis im Mittelalter eine gleichwertige Hüttentechnik erfunden wurde? Wie soll das Ausgrabungsareal präsentiert werden? Wie wird sein montanhistorisch bedeutendes Umland eingebettet?

 

Bis Donnerstag am Gerhardsseifen!

Manuel Zeiler

 

Wann: Donnerstag, 04.04.2019; 10.30 Uhr sowie 16.30 Uhr

 

Wo: Am Rosengarten 58 in Siegen (Navi-Adresse); am Sportplatz vorbeifahren und dahinter auf der großen geschotterten Fläche parken – hier ist der Treffpunkt

 

Achtung: Festes Schuhwerk ist nötig!

  • Die Abdeckung ist abgetragen und die Holzverschalung ist verbogen: Sind die Befunde darunter erhalten? (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

  • Der am besten erhaltene eisenzeitliche Ofen 2019 (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).

  • Der am wenigsten erhaltene eisenzeitliche Ofen (Foto: Deutsches Bergbau-Museum/Jennifer Garner).