Neue Spuren vom frühstädtischen Herford

07.11.2023 Corinna Hildebrand

Teresa Krukenmeier zeichnet das Profil durch das neu entdeckte Grubenhaus in der Kirchstraße. Foto: Archäologie am Hellweg eG/E. Manz

Kurz vor Abschluss der Grabung in der Kirchgasse stieß das Grabungsteam der Archäologie am Hellweg eG auf ein Grubenhaus, dass etwa aus dem 10. Jahrhundert stammt. Auch wenn für die genaue Datierung erst die Reinigung und genaue Bestimmung der Funde abzuwarten sind, häufen sich die Spuren aus der Frühzeit der Kaufmannssiedlung im heutigen Radewig. Zusammen mit weiteren Pfostenspuren, die von ebenerdigen Holzhäusern stammen, lässt sich eine Siedlung vor der Jahrtausendwende nachweisen. Möglicherweise reichen die Ursprünge dieses Ortes aber noch weiter zurück, denn bisher ist nur ein kleiner Ausschnitt der Siedlung archäologisch erforscht. Außerdem bestätigte Kaiser Otto der Große im Jahr 973 der Herforder Äbtissin Imma das Marktrecht, das bereits aus dem 9. Jahrhundert stammt.

Herford im 10. Jahrhundert

Herford bestand im 10. Jahrhundert aus mehreren miteinander in Beziehung stehenden Siedlungsbereichen und war damit eine typische sogenannte „polyzentrische Stadt“. Die älteste Siedlung das „Oldenhervorde“ konnte 2015 südlich des Altstädter Marktplatzes in der Clarenstraße nachgewiesen werden. Mindestens zwei Höfe, getrennt von einem Graben, konnten bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Mit der Gründung des Damenstiftes am Standort der heutigen Münsterkirche um 800 entstand ein neues Zentrum, das von einem Graben umgeben wurde. Westlich der Aa lag der Handelsort im heutigen Radewig zusammen mit dem nördlich davon gelegenen Königshof Odenhausen, der 973 erstmals in einer Urkunde erwähnt wird.

Neues zum Umfeld des Damenstiftes

Die Ausgrabungen im Damenstift aus den Jahren 1988 bis 1990 werden zurzeit in einem „Archäologischen Fenster am Münster“ erschlossen. Dabei begleitet das bewährte Grabungsteam um Dr. Eva Manz sämtliche Bodeneingriffe.

Das Grubenhaus, verfüllt mit Steinen, Brandschutt, Tierknochen und Keramikscherben zeichnet sich im Profil deutlich vom gelbbraunen Lehmboden ab. Davor, ganz links auf der Sole der Hausgrube, liegt der dunkle Fleck des ehemaligen Pfostenloches. Foto: Archäologie am Hellweg eG/E. Manz

Nur wenige Zentimeter nördlich der damaligen Grabung stieß die Ausgräberin jetzt auf die Reste eines kleinen in den Boden eingetieften Gebäudes. Anhand der geringen Ausmaße, der senkrechten Wände und der ebenen Sohle ist das Gebäude als Grubenhaus, also als kleines Nebengebäude, anzusprechen. Die Spuren eines Eckpfostens zeugen von einer Holzkonstruktion, die einst das Satteldach trug. Deutlich zeichnet sich im Profil der verfüllten Hausgrube ein dünnes Band Holzkohle ab. Darüber liegt Brandschutt aus Holzkohle und rot verziegeltem Lehm, der möglicherweise von den Wänden des Hauses stammt, das in einer Brandkatstrophe untergegangen ist.

Ausgräber Markus Hirnich und Kristina Fügenschuh von der Herforder Denkmalbehörde begutachten die Brandschicht aus dem 10. Jahrhundert. Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Spiong

„Ungebetene Gäste“ in Herford?

Bei der Ermittlung der Brandursache helfen die Funde weiter, die sich in großer Zahl in der Verfüllung zusammen mit dem Brandschutt befanden. Schwarze Keramikscherben von handgeformten kugeligen Töpfen datieren eindeutig ins 10., sogar eher ins frühe 10. Jahrhundert. Vergleichbare Brandschichten wurden bereits bei der Grabung 1988 bis 1990 beobachtet und mit den für 926 überlieferten Überfall der Ungarn in Beziehung gesetzt. Die leicht entflammbaren Holzhäuser brannten damals komplett ab.

Dr. Michael Malliaris bestimmt die über 1.000 Jahre alten Scherben. Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Spiong

Leben im Schatten des Klosters

Bereits durch die große Klostergrabung ist bekannt, dass außerhalb der eigentlichen Klausur Holzgebäude bestanden. So konnten westlich der Münsterkirche Pfostenbauten durch einzelne Pfostenlöcher nachgewiesen werden. Zwar ließen sich keine Hausgrundrisse mehr rekonstruieren und es war auch keine genaue Datierung möglich, doch es deutet sich damit eine Besiedlung der durch den Graben eingefassten Fläche auch außerhalb der eigentlichen Klosterklausur an. Eine solche Besiedlung lässt sich nun auch für den Bereich nördlich des Klausur nachweisen. Zwar lebten die adligen Stiftsdamen innerhalb der Klausur abseits des weltlichen Treibens, doch bedurfte ein funktionierender Klosterbetrieb einiger Bediensteter. Diese Laien lebten innerhalb des durch einen Graben geschützten Areals. Wie sich jetzt andeutet, war bereits vor der Jahrtausendwende die Fläche innerhalb der Befestigung dicht bebaut.

Frisch aus dem Boden und noch nicht restauriert. Ein bronzener Schreibgriffel diente den schreibkundigen Stiftsdamen dazu, kurze Notizen in Wachstafeln festzuhalten. Foto: Archäologie am Hellweg eG/E. Manz

Text: Sven Spiong