Unter Verschluss

04.07.2023 Michael Baales

Attendorn. Lage einer zufällig angeschnittenen, vertikalen Kluftspalte in einer im Juni 2023 ausgekofferten Baugrube. – Foto: LWL-AfW Olpe/D. Riemenschneider

Unter Verschluss

Dokumentation von Höhlen im Kreis Olpe

Immer wieder hat es die Außenstelle Olpe der LWL-AfW mit Höhlen zu tun. Archäologisch ist vor allem die Balver Höhle mit ihren zahlreichen Fundschichten aus der Zeit des Neandertalers bekannt. Aber auch die Blätterhöhle in Hagen-Holthausen erlangte in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit, da auf dem Höhlenvorplatz jüngst die ältesten bekannten Reste eines Modernen Menschen in Westfalen gefunden wurden. Diese stammen vom Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren, dem Spätpaläolithikum.

Etwas jünger hingegen sind die Funde, welche in der Fledermaushöhle (auch Ahauser Höhle genannt) bei Finnentrop-Heggen gemacht wurden. Die zahlreichen kleinen Steinartefakte wurden im Jahre 1972 bei paläontologischen Ausgrabungen der Universität zu Köln entdeckt. Zur Entdeckung der Höhle kam es, als ein Jahr zuvor der Hang Zwecks Straßenbau mittels Sprengarbeiten zurückverlegt wurde. Dabei wurde eine parallel zum Hang verlaufende, mit Sinter geschmückte Kluft angeschnitten, welche eine nach Nordwesten führende kleine Höhle freigab. Bei der Höhle handelt es sich ebenfalls um eine mit eiszeitlichen Sedimenten gefüllte Kluftspalte, die durch Verkarstung entstanden war. Diese Karsterscheinungen sind typisch für den Bereich Attendorn – Finnentrop. Geologisch befinden wir uns in der Attendorn-Elsper Doppelmulde, welche aus devonischen Riffkalken besteht, in denen Höhlenbildungen besonders begünstigt sind. Die in der Fledermaushöhle gefundenen Artefakte waren in mehreren Horizonten zu finden. Ein überwiegender Teil der Stücke ist aus örtlichem Kieselschiefer hergestellt worden, der Rest aus importiertem Baltischen Feuerstein. Eine genauere zeitliche Einordnung der Stücke ist aufgrund fehlender Leitformen nicht möglich. Angesichts der Lage der Funde, des Rohmaterials, der Kleinteiligkeit und der Herstellungstechnik, die der des Mesolithikums entsprechen, ist eine Zuordnung in diese Epoche vor etwa 11.600 bis ca. 6500 Jahren v.h. wahrscheinlich.

  • Abb. 1: Finnentrop. Betonverbau um die Fledermaushöhle an der L539. – Foto: LWL-AfW Olpe/D. Riemenschneider

  • Abb. 2: Finnentrop. Oben: Scanvorgang mit 3D-Scanner und sofortiger Visualisierung. – Fotos: LWL-AfW/M. Baales

    Unten: Durch eine mobile Arbeitsplattform konnte der benötigte Perspektivwechsel für die SFM-Methode erreicht werden.– Fotos: LWL-AfW Olpe/T. Poggel

  • Abb. 3: Finnentrop. Ergebnis der mittels der SFM-Methode dokumentierten Fledermaushöhle (dieses Modell ist am Computer dreidimensional zu betrachten). Die archäologischen Funde stammen aus dem oberen Bereich der vertikalen Kluft. – Grafik: LWL-AfW Olpe/D. Riemenschneider

Wer schon einmal entlang des Ahauser Stausees auf der L539 von Attendorn nach Finnentrop unterwegs gewesen ist, dem wird sicherlich der massive Betonbau am Hang aufgefallen sein, welcher die Fledermaushöhle heute umgibt (Abb. 1). Nach anfänglichen Plänen in den 1970er Jahren die Höhle bzw. dass durch die Paläontologen entstandene Schichtprofil der Sedimentfüllung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde ein massiver Betonbau um die Höhle und die an der Felswand liegende Kluft errichtet. Der Boden um die Kluft wurde betoniert und gefliest, zudem wurden Geländer, Vitrinen und Beleuchtung installiert. Der Schaubetrieb wurde jedoch letztlich nie realisiert und so stand der Bau bisher leer. Zusätzlich sollte eine vergitterte Tür dafür sorgen, dass die Höhle und die archäologischen Schichten vor Umwelteinflüssen und illegalen Raubgräbern geschützt werden.

Diese Tür wird jedoch ständig in Erwartung an die tollsten Funde und kilometerlange Höhlensysteme aufgebrochen und soll nun seitens des Kreises Olpe entfernt und durch eine massive und stabile Mauer geschlossen werden. Im Zuge dessen wurde die Höhle durch die Außenstelle Olpe und die Speläogruppe Letmathe – Verein für Höhlenkunde in Westfalen e.V.  erneut begutachtet. Es sollte geklärt werden ob die Höhle noch von archäologischem oder speläologischem Interesse ist bevor der Betonverbau verschlossen wird. Da die Höhle jedoch nach etwa 20 m ohne Aussicht auf Fortsetzung endet und die archäologischen Schichten weiterhin geschützt sind, steht einem Verschluss nichts entgegen. Zuvor wurde sich darauf geeinigt, noch umfassende Dokumentationsarbeiten durchzuführen (bei denen überraschend auch einige wenige Steinartefakte als Lesefunde zutage kamen). Die dafür infrage kommenden Methoden waren einerseits ein Scan mittels eines portablen 3D-Scanners und die (mittlerweile) klassische SFM-Methode (structure from motion). Um beide Ergebnisse geografisch referenzieren zu können, wurde zunächst ein Messsystem in den Betonbau gelegt. Dazu wurden mehrere Zielpunkte an der Höhlenwand angebracht und eingemessen. Für den Scanner wurden ebenfalls diverse portable Messpunkte an bestimmten Punkten in den Verbau platziert und eingemessen.

Bei der SFM-Methode wurden dann möglichst viele Fotos, mit einer Überlappung von etwa 80% zum vorangegangen Bild, gemacht. Wichtig ist dabei der Perspektivwechsel, damit hinterher ein dreidimensionales Bild errechnet werden kann. So wird jeder Bestandteil der Höhle mal von näher ran, weiter weg, von links, rechts, oben und unten fotografiert; daher auch der Name structure from motion (Abb. 2 unten). Später am Computer rechnet ein Programm daraus dann ein 3D-Modell, je mehr Fotos überlappen, desto besser das Endergebnis (Abb. 3). Deutlich schneller ist dagegen der Scan mittels portablem 3D-Scanner. Dieser tastet den kompletten Raum um sich herum mittels Laserscan ab und erzeugt eine Punktewolke um den gescannten Raum darzustellen. Zusätzlich ist er in der Lage, hochauflösende Fotos zu erstellen und diese auf den räumlichen Scan zu legen. Je höher die Auflösung der Punktwolke und der Fotos, desto länger dauert ein einzelner Scanvorgang. Bedient wird das Gerät mittels iPad und der dazugehörigen Software, welche unmittelbar nach dem Scan die Ergebnisse zusammenfügt und darstellt (Abb. 2 oben). Für die Querspalte und den vorderen Bereich der Höhle waren 6 Scans nötig um alles erfassen zu können. Die Mitarbeiter der Außenstelle Olpe nutzten auf diese Weise die Gelegenheit, zwei Methoden an einem Objekt testen zu können um bei zukünftigen Projekten besser abschätzen zu können, welche Methode am effektivsten für die jeweilige Zielsetzung ist.

  • Abb. 4: Attendorn. Lage der Befunde (Felsspalten) auf der Baustelle am Himmelsberg. – Foto: LWL-AfW Olpe/F. Geldsetzer

  • Abb. 5: Attendorn. Die für eine Befahrung zu engen Kluftspalten wiesen ausgeprägte Sinterformationen und Bewetterung auf (Befund 1). – Foto: LWL-AfW Olpe/D. Riemenschneider

  • Abb. 6: Attendorn. Blick in die durch den Bagger freigeräumte horizontale Kluft mit Sinterformationen (Befund 2). – Fotos: LWL-AfW Olpe/D. Riemenschneider

Neben diesen bekannten Höhlen werden auch immer wieder mal neue Höhlenräume, z.B. bei Bauarbeiten, entdeckt. So ging Mitte Juni bei der Außenstelle Olpe die Nachricht eines Tropfsteinfundes auf einer Baustelle in Attendorn ein. Wie sich am nächsten Arbeitstag herausstellte, waren bei Ausschachtungsarbeiten am Himmelsberg mehrere Kluftspalten angeschnitten worden (Abb. 4). Auch hier handelt es sich um die für die Gegend typischen Verkarstungsformen der Attendorn-Elsper Doppelmulde. Insgesamt wurden vier Spalten entdeckt, von denen drei mit Sinterformationen ausgestattet waren. Daraufhin wurden sämtliche Klüfte eingemessen und nach Möglichkeit auch fotografiert. Da diese Kluftspalten aufgrund ihrer Enge nicht zu befahren sind, konnte nur von außerhalb dokumentiert werden (Abb. 5). Bei Befund 2 konnte jedoch der anwesende Kettenbagger Abhilfe schaffen und einen größeren Felsblock zur Seite räumen, welcher den Blick auf eine längliche Kluft versperrte (Abb. 6). Auch hier wurden Höhlenforscher der Speläogruppe Letmathe für eine Expertise hinzugezogen. Die Spalten wiesen alle eine starke Bewetterung auf, sodass anzunehmen ist, dass diese untereinander oder mit anderen Spalten und Rissen im Berg in Verbindung stehen (im näheren Umfeld sind schon zwei ältere Höhlenfundstellen bekannt). Aufgrund der bereits erwähnten Enge ist eine weitere Erforschung dieser Karsterscheinungen jedoch nicht möglich. Seitens der Höhlenforscher wurde vorgeschlagen, eine Verschalung um die angeschnittenen Klüfte zu bauen um die Sinterformationen zu schützen und ein Eindringen von Baumaterial und Schutt zu verhindern.

Solche kleineren Maßnahmen zeigen deutlich, dass die archäologische Arbeit in oder im Umfeld von Höhlen nicht nur Sache von Forschungsprojekten an Universitäten ist, sondern auch zum Alltag der bodendenkmalpflegerischen Arbeit gehören.

Daniel Riemenschneider B.A.

 

Literatur:

Baales, M., Heuschen, W., Kehl, M., Manz, A., Nolde, N., Riemenschneider, D., Rittweger, H. & Orschiedt, J. (2023): Western visitors at the Blätterhöhle (city of Hagen, southern Westphalia) during the Younger Dryas? A new final palaeolithic assemblage type in western Germany. PLoS ONE 18(5): e0284479. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0284479

( https://www.academia.edu/102524047/Baales_et_al_2023_Western_visitors_at_the_Bl%C3%A4tterh%C3%B6hle_city_of_Hagen_southern_Westphalia_during_the_Younger_Dryas_A_new_final_palaeolithic_assemblage_type_in_western_Germany_PLOS_ONE )

Günther, K. (1985): Finnentrop-Heggen. Fundchronik 1948-1980: Regierungsbezirk Arnsberg. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 2 (1984), 148-154.

Kategorien: Außenstelle Olpe · Projekte