100 Jahre amtliche Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe

28.08.2020 Carolin Steimer

Gruppenbild vor dem LWL-Museum für Archäologie in Herne mit (v. l. n. r.) Herrn LWL-Direktor Löb, Frau Ministerin Scharrenbach und LWL-Archäologie Chef Prof. Dr. Rind. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

Anlässe zum Feiern gibt es in Zeiten von Corona gewiss einige, aber aufgrund derzeitiger Bestimmungen und Auflagen können die wenigsten in die Tat umgesetzt werden. Da freute es uns umso mehr, dass wir am 19.08.2020, natürlich unter Einhaltung eines strengen Schutz- und Hygienekonzepts, das 100-jährige Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen im LWL-Museum für Archäologie in Herne begehen konnten. Erwartet wurde hoher Besuch aus der Politik, Ina Scharrenbach, die für die Bodendenkmalpflege zuständige NRW-Heimatministerin, Matthias Löb, der LWL-Direktor, Prof. Dr. Michael M. Rind, Chef der LWL-Archäologie und Landesarchäologe für Westfalen, sowie einige weitere Gäste aus der Archäologie und Bodendenkmalpflege von NRW.

  • Coronagerechte Begrüßung vor dem Festakt: Ministerin Scharrenbach trifft auf LWL-Pressechef F. Tafertshofer. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

  • Wiedertreffen alter Bekannter: Ehemalige Chefarchäologin Isenberg und Leiterin der Zentralen Dienste Münz-Vierboom. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

  • Die Gäste warten im Vortragssaal auf den Beginn des Festaktes. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

  • Grußwort des LWL-Direktors Herrn Löb. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

  • Jubiläumsrede der Heimatministerin Scharrenbach. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

Stilecht und lässig präsentiert Herr Prof. Dr. Rind den Bildband. (LWL-AfWL/T. Schmidt-Jülich)

Präsentation des außergewöhnlichen Bildbandes im LWL-Museum für Archäologie in Herne

Ganz stilecht und super lässig präsentierte Herr Prof. Dr. Rind in einer Art Lesung in einem Lehnsessel mit kleinem Beistelltischchen und Leselampe den Gästen der Feier den Bildband „100 Jahre/100 Funde – Das Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe“.

Der Bildband beinhaltet die 100 schönsten und bedeutendsten archäologischen Funde aus der Region Westfalen mit unglaublich detailreichen und großartigen Fotos. Da hat sich Stefan Brentführer, der Fotograf der LWL-Archäologie, mal wieder selbst übertroffen. "Verpackt" ist der Band in Form eines Fundkartons, der mit einem orange-weißen Absperrband gesichert ist, in etwa so wie wir Archäologinnen und Archäologen das Arbeitsmaterial aus dem Fundarchiv und von den Grabungen gewohnt sind. Der Buchrücken ist extra mit sichtbarer Fadenheftung gestaltet, sodass die sonst verborgene handwerkliche Arbeit der Buchbinder zum Vorschein kommt.

Blick in den Bildband. (LWL-AfWL/B. Schulte-Linnemann)

300.000 Jahre Menschheitsgeschichte in Westfalen

Inhaltlich liefert der Band Einblicke in 300.000 Jahre Menschheitsgeschichte in Westfalen, von der Altsteinzeit bis heute, die sich durch Migration, Kulturtransfer und Handel, in einem stetigen Kultur- und Gesellschaftswandel befindet. Übersichtliche Steckbriefe und spannende Begleittexte erzählen die Geschichten der Objekte aus den unterschiedlichen Zeitepochen. Ergänzend gibt es einen, mit teils amüsanten Fotos, reich bebilderten Abriss der 100-jährigen Geschichte der Archäologie und Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe.

Screenshot der Fundübersicht der Online-Ausstellung. (LWL-AfWL)

Erste digitale Online-Ausstellung macht Archäologie und Geschichte Westfalens erlebbar

Zusätzlich haben wir uns etwas Neues einfallen lassen und zwar die erste digitale Online-Ausstellung der LWL-Archäologie für Westfalen. In dieser können alle 100 archäologischen Funde, die auch im Bildband zu finden sind, angesehen und ihre Hintergrundgeschichten erkundet werden. Dafür haben wir die Funde aus den verschiedenen Museen Westfalens zusammengetragen, fotografisch in Szene gesetzt und wann immer möglich mit einem 3-D-Scanner digitalisiert, sodass die Objekte von allen Seiten direkt auf dem Rechner/Tablet betrachtet werden können. Die Funde, die als 3-D-Objekte zur Verfügung stehen, sind in der Übersicht mit einem orangefarbenen kleinen Würfel gekennzeichnet. Auf die 3-D-Animationen ist Herr Prof. Dr. Rind besonders stolz, da das Jubiläum einen Anstoß zum Einstieg in die dreidimensionale digitale Erfassung von unseren Funden geliefert hat, die er in Zukunft gerne fortsetzen möchte. Denn so kann zumindest die digitale Sicherung der Funde sowie der Zugang für jedermann ermöglicht werden.  

Als kleinen Vorgeschmack auf die Online-Ausstellung möchte ich drei meiner persönlichen Lieblingsstücke vorstellen.

Jadeitbeil aus dem jungenolithischen Erdwerk in Soest. (LWL-AfWL/S. Brentführer)

Jahrtausende alte Jade

Das grünlich schimmernde Jadeitbeil wurde 1909 in Soest im Bereich eines jungneolithischen Erdwerkes gefunden, welches um 4.000 v. Chr., in die Zeit der Michelsberger Kultur, datiert wird. Der Fundplatz schien für die Menschen damals eine besondere Bedeutung, möglicherweise eine überregionale, zu haben, die das vergrabene Jadeitbeil bezeugt. Das Rohmaterial solcher Beilklingen stammt aus einem Bergbaugebiet in den italienischen Westalpen. Die Überarbeitung und Fertigstellung der Objekte erfolgte in Norditalien, Ostfrankreich und der Bretagne, danach wurden sie nach West- und Mitteleuropa verhandelt. Die prunkvollen Beile belegen durch ihre Verbreitung einen weitreichenden Tauschhandel mit besonderen Erzeugnissen, den es schon in der Jungsteinzeit gegeben hat. Für die Gesellschaften des Jungneolithikums stellte ein Beil aus Jadeit ein Statussymbol dar, welches heute als Prestigeobjekt der damaligen Eliten gedeutet wird.

Amphore aus Bronze gefunden in den 1960er Jahren in Gevelinghausen. (LWL-AfWL/S. Brentführer)

Von Sonnen und Vögeln

Die Urne von Gevelinghausen wurde im April 1961 bei dem Bau einer Jauchegrube eines südwestfälischen Bauernhofs freigelegt. In ihr befanden sich in einem Leinensäckchen die verbrannten Knochen eines Mannes, der am Übergang von der späten Bronze- zur Eisenzeit bestattet worden war.
Die Amphore besteht aus vier einzelnen Blechen, die zusammengenietet und deren Oberflächen mit über 10.500 Punzeindrücken in Form von Buckeln und Punkten überzogen wurden. Im unteren Teil ist eine Vogel-Sonnen-Barke als Zierelement angebracht, die als zentrales religiöses Motiv der jüngeren Bronzezeit angesehen wird. Wozu die aufwendig hergestellte Bronzeamphore ursprünglich verwendet wurde, werden wir wohl nicht mehr herausfinden.

Granatbesetzter Goldring aus dem Graben der Hörder Burg in Dortmund. (LWL-AfWL/S. Brentführer)

Gold und Edelstein aus dem Hochmittelalter

Der mit einem Granat besetzte Goldring wurde 2008 im Graben der Hörder Burg in Dortmund gefunden und datiert in das 13. Jahrhundert. Er ist sehr fein ausgearbeitet und wird an drei Stellen von sich zwei umfassenden Händen geziert, die seit dem 12. Jahrhundert als Zeichen einer Verlobung gelten. Die Maße des Ringes deuten darauf hin, dass er für eine Frauenhand angefertigt wurde und vermutlich als Verlobungs- oder Ehering gedacht war. Wieso das wunderschöne Ringlein jedoch in der Grabenanlage der Burg landete, wird auf ewig ein Geheimnis bleiben.

 

Autorin: K. M. Moritz