… das verschollene Rezept

25.08.2022 Sandra Goertz

Die Flammen schlagen durch! Das archäologische Experiment während der Testphase im August 2017 (Foto: Altertumskommission für Westfalen/Leo Klinke).

… das verschollene Rezept

Das Experiment geht weiter

Schon länger ist Dank archäologischen Forschungen bekannt, dass das Siegerland im Süden Nordrhein-Westfalens eine Sonderstellung in der Eisenzeit innehatte: Hier rauchten tausende der größten Verhüttungsöfen ihrer Zeit in Europa, hier wurden enorme Mengen Eisen erzeugt und verarbeitet.

Aber wie?

Die Frage haben wir bereits beim letzten Blog gestellt, heute wollen wir einer Antwort wieder ein kleines Stück näher kommen.

Eisenland - Trailer 2

Hier geht´s heiß her!

Das ganze Video im September!

Der Bau Experimentofens. (A): Aufstellung eines Gerüstes aus Haselzweigen und Umbiegen der Zweige zu einer Kuppelform. Anschließend wurden feine Weidenzweige in das Grundgerüst eingeflochten (B), wobei Rundhölzer als Platzhalter für die Düsen und die später einzusetzenden Messsonden dienten. Dann erfolgte die Auftragung einer ersten Lehmschicht auf das Korbgeflecht. Im nächsten Schritt (C) wurde die Ofenwand ringförmig in die Höhe gezogen. (Fotos: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Worum geht es noch gleich?

Eine Forschungskooperation des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, der Ruhr Universität Bochum und der LWL-Archäologie für Westfalen erforscht seit mittlerweile 20 Jahren das Siegerland. Forscherinnen und Forscher widmen sich den eisenzeitlichen Verhüttungs- und Schmiedeplätzen, analysieren Schlacken oder werten ausgegrabene Gräber und Siedlungen aus. Da die eisenzeitliche Montanlandschaft Siegerland europaweit von Bedeutung ist und eben gerade der genaue Ablauf der Eisengewinnung unbekannt ist, fokussierte sich die Forschungskooperation unter Federführung der LWL-Archäologie für Westfalen genau darauf.

Der Experimentofen in Aktion: Sowohl 2017 als auch 2018 wurde er jeweils mehrere Tage und Nächte am Stück betrieben (Foto: Ruhr-Universität Bochum/Tim Schnieders).

Im Einsatz bei Tag und Nacht.

In archäologischen Experimenten 2017 und 2018, unterstützt von zahlreichen wissenschaftlichen Kooperationspartnern im LWL-Freilichtmuseum Hagen gelang es, die eisenzeitlichen Betriebsabläufe nachzuvollziehen, zu verstehen und völlig unerwartete Erkenntnisse zu einer der frühesten Hüttentechnologien Europas zu sammeln.

Blick oben in den Ofen auf eine der wichtigen Zutaten: Holz! Das Experiment erbrachte, dass vor der eigentlichen Verhüttung des Eisenerzes im Ofen Holz zu Holzkohle vermeilert wurde (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Von vorn und unvoreingenommen rangehen!

Die Forschungskooperation baute nach archäologischen Vorbildern und mit authentischen Materialien einen Verhüttungsofen der Eisenzeit nach. Heinz Hadem aus Siegen-Oberschelden koordinierte insbesondere den Ofenbau, da er durch jahrzehntelange experimentalarchäologische Studien sich umfassendes Wissen zum Lehmbau angeeignet hatte.

Bewusst betraten wir Neuland und verwarfen überkommene Interpretationen: Bis zu der Experimentreihe wurden zum Beispiel archäologischen Befunde von ausgegrabenen Verhüttungsöfen des Siegerlandes in der Experimentalarchäologie entweder ignoriert oder bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Die Birnenform der eisenzeitlichen Öfen im Siegerland wurde folglich nicht nachgebaut oder durch Anbauten völlig verändert – wir realisierten aber genau diese archäologisch nachgewiesene Birnenform.

Anbringung der verschiedenen Messsonden am Ofen an unterschiedlichen Positionen (A). Blick auf die Sonden für die Atmosphärenmessung (B) und für die Temperatur (C). Alle Sonden waren mit entsprechenden Apparaturen verbunden, die nicht nur beständig Messdaten dokumentierten und speicherten, sondern es ermöglichten in Echtzeit die Ofenatmosphäre zu beobachten (D). Blick auf den gesamten Versuchsaufbau, nach dem Entzünden des Ofens (E) (Fotos: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner u. LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Keine Meiler im Siegerland.

Zudem ist wichtig, dass wir archäologisch nachweisen konnten, dass in der Eisenzeit des Siegerlandes keine Meiler existierten. In Meilern wird Holzkohle hergestellt. Folglich arbeiteten die eisenzeitlichen Hüttenleute mit Holz. Es gelang uns in einem mehrstufigen Verfahren den Experimentofen zunächst als Meiler zu fahren und dann anschließend mit ihm zu verhütten.

Ein verschollenes Rezept war wiederentdeckt! Jedenfalls erste wichtige Bruchstücke, denn natürlich bleibt noch viel zu erforschen.

Eine von insgesamt drei größeren Luppen kurz nach der Ofenentnahme im Jahr 2017 (A). Die Luppen wurden anschließend zum Sägen in eine Holzkiste mit Gips fixiert, um ein Zerspringen der Luppe während des Sägens zu vermeiden (B). Blick auf eine durchgesägte Luppe von 2017 (C). Deutlich sind die Bereiche von metallischen Eisens zu erkennen. Bei den schwarzen Partien handelt es sich um Schlackenreste (Fotos: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner und Daniel Demant).

Schlacke und Luppe!

Highlight der Experimentreihen war es, dass wir es schafften, während des Verhüttungsprozesses aus der unteren Ofenöffnung Schlacke (Abfälle) sowie Luppe (Stahl) herauszuziehen, ohne den Verhüttungsprozess dazu beenden zu müssen. Mit den eisenzeitlichen Öfen des Siegerlandes war es folglich möglich in einem kontinuierlichen Prozess Stahl zu erzeugen – technologisches Know-How, welches man bis dahin frühestens den fast 1000 Jahre später lebenden Menschen des ausgehenden Mittelalters zugeschrieben hatte!

Am 11.09. diesen Jahres ist wieder der Tag des offenen Denkmals. An diesem Tag veröffentlichen wir das Hauptvideo und zugleich bieten wir Führungen an der Ausgrabungsstätte „Gerhardsseifen“ bei Siegen-Niederschelden an. Hier wurden die archäologischen Befunde einer eisenzeitlichen Werkstatt erhalten und in einem Schutzbau konserviert – samt mittelalterlicher Werkstatt, die 1000 Jahre hier später produzierte. Schauen Sie vorbei!

Ganzes Video und viel Action am Gerhardsseifen am 11. September 2022!

Am 11. 09. dieses Jahres findet wieder der Tag des offenen Denkmals statt. Am „Gerhardsseifen“ bei Siegen-Niederschelden im Siegerland werden dann gut erhaltene Befunde präsentiert, nämlich eine eisenzeitliche sowie eine mittelalterliche Verhüttungswerkstatt. Sie befinden sich in einem Schutzbau. Dieser und auch ein attraktiver Themenwanderweg werden vom Trägerverein „Ein Siegerländer Tal e.V.“ betrieben, der zu Führungen einlädt. Wir werden zusammen mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum diese Führungen unterstützen und diese europaweit einmaligen Befunde präsentieren.

Zugleich wird am 11.09. der Hauptfilm zum archäologischen Experiment veröffentlicht – Wir sehen uns also spätestens am 11. September hier!

 

Text: Manuel Zeiler