Blick in das mittelalterliche Alltagsleben

25.07.2016 Carolin Steimer

Die Ausgrabung aus der Luft betrachtet. Foto: EggensteinExca

Ausgrabung mitten in der Altstadt von Hamm

Mitten in der Hammer Altstadt sollte ein Neubau entstehen – dort, wo die mittelalterliche Keimzelle und damit viel Stadtgeschichte verborgen liegt. Deshalb waren auch die Archäologen zur Stelle, um die Arbeiten zu begleiten. Als sich die Grabungsfirma Eggenstein im Mai ans Werk machte, tat sich dann auch unter Fachaufsicht des Referates für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie wie erwartete ein regelrechtes Schaufenster in die Stadtentwicklung auf.

Seit jeher  gehört Hamm, 1226 von den Grafen von der Mark als Planstadt gegründet, zu den Städten mit außerordentlich interessanten archäologischen Befunden und Funden. An der Königstraße, einer der westöstlichen Hauptstraßen der Stadt, konnte eine über 2m mächtige Stratigraphie festgestellt werden, die viele Informationen zur Stadtgeschichte preisgegeben hat. Unter der jüngsten Bebauung und tiefer als die Fundamente des 19. Jahrhunderts lagen Bruch- und Backsteinmauern, die von Wohngebäuden des Mittelalters und frühen Neuzeit stammten. 1,2m unter dem heutigen Geländeniveau war die zweistufige Treppe eines rekonstruierbaren Hauses erhalten, die zu einem leicht erhöhten Hinterhof führte. Ein Brunnenfund, der sich in die Zeit um 1500 datieren lässt, erinnert daran, dass die Wasserversorgung damals sehr viel mühsamer war als heute.

Mauerwerk und Stratigraphie offenbarten sich auf dem Gelände eines großen Hammer Medienhauses. Foto: EggensteinExca

Noch älter und aufgrund der Keramik in das ausgehende 13. Jahrhundert datierbar ist eine Brandschicht, die auf eine Brandkatastrophe, vermutlich den Stadtbrand von 1288, hinweist. Das damals zerstörte Haus – 10m breit und 14,5m lang – dürfte das älteste an dieser Stelle gewesen sein. Es überbaute einen Bach oder einen Graben, dessen Funktion nicht geklärt ist. Der Vorgang ist aber so zu verstehen, dass ältere Gegebenheiten im Zuge der Ausweitung der städtischen Bebauung  ohne Rücksicht überbaut wurden. Der Bau des darüber angelegten Hauses gehört in die Zeit zwischen der Stadtgründung 1226 und dem Brand, also in eine Zeit, in der die Stadt sukzessive bis zu jener Grenze aufgesiedelt wurde, die die Stadtmauer bis in die Neuzeit markiert hat.

Die restaurierte Klappwaage aus Bronze. Foto: LWL/Stefan Brentführer

Die Bedeutung der Keramik für die Datierung der Befunde ist allgemein bekannt. Aber für Archäologen und Laien ist es doch ein erhebender Moment, wenn unter der Last von Jahrhunderten ein vollständig erhaltener Kugeltopf geborgen werden kann. Seine Füllung ist noch nicht untersucht, hat aber schon die Neugierde der Archäologen geweckt: vielleicht eine absichtliche Deponierung oder etwa gar ein Bauopfer? Darüber hinaus zeugen Spinnwirtel, die Ledersohle eines Kinderschuhs, ein eiserner Schlüssel sowie eine Klappwaage aus Buntmetall von dem bunten Leben und von den Tätigkeiten der Einwohner, die über die Jahrhunderte auf der Königstraße gelebt haben.

Text: Cornelia Kneppe