Restaurator:innen on Tour in Stonehenge

24.09.2021 Kim M. Moritz

Ganz schön dicke Brocken (Arbeit)

Wenn ihr eine Ausstellung besucht, habt ihr euch dann schon mal gefragt, was alles für Aufgaben und Herausforderungen während des Aufbaus anfallen? Oder welche Rolle dabei die Restaurator:innen spielen? Nein?! – Ich auch nicht. Deswegen habe ich, wissenschaftliche Volotärin der Zentralen Dienste der LWL-Archäologie, unsere drei Restaurator:innen ein paar Tage bei ihrer Tour durch die Sonderausstellung "Stonehenge" im LWL-Museum für Archäologie in Herne begleitet.

Nix als Kisten, obwohl...

„Was ist denn wohl da drin?“ Genau das haben wir uns bei all den Kisten im Depot gedacht. Die mysteriös und sehr stabil aussehenden Holzkisten aus England hatten es am ersten Tag auf jeden Fall in sich. Unter anderem kamen die Erstausgabe von “The ancient history of the South Wiltshire“ und ganz viel Stonehenge-Nippes wie dieser überdimensionale Jesus zum Vorschein. Mehr davon könnt ihr euch gerne in der Sonderausstellung anschauen.
Eigentlich ist es üblich, dass empfindliche Leihgaben von Kurieren oder Restaurator:innen der jeweiligen Museen begleitet werden, damit die Stücke unbeschädigt in die Vitrinen der Leihnehmer:innen gelangen. Da dies bei den englischen Objekten diesmal nicht der Fall war, gab es die Vorgabe, dass jeder noch so kleine Schritt des Auspackens genauestens dokumentiert und gefilmt werden sollte. Unser Restaurator hatte die ehrenvolle Aufgabe die Kisten zu öffnen und jedes einzelne Objekt auf mögliche Beschädigungen hin zu untersuchen und alles zu Protokoll zu geben. Schon allein in der ersten Kiste waren weit über 30 Objekte, sodass bei dem ganzen Aufwand zunächst nur eine Kiste geleert werden konnte.
Am besten war die Szene als am Ende sechs Leute um den Restaurator herumstanden, um ihn beim Begutachten der Gegenstände zu filmen, Fotos für Social Media zu knipsen oder einfach nur zu beobachten.

  • Mysteriöse Transportbox. Was da wohl drin ist?
    (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Unser Restaurator packt die Erstausgabe von "The ancient history of the South Wiltshire" aus (Foto:LWL/K. Moritz).

  • Ein Blick ins Buch kann nie schaden (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Jesus wirkt ein wenig überdimensional vor den Steinen von Stonehenge (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Der Restaurator und seine Entourage, man kann es sich ja leisten (Foto: LWL/T. Malter).

Einmal Grundkurs Anatomie, bitte!

Jetzt wird’s spannend für alle Anatomie-Fans! Am zweiten Tag hatten unsere Restauratorin und der/die wissenschaftliche Volontär:in Fynn das Vergnügen aus vielen einzelnen menschlichen Knochen ein komplettes Skelett zusammen zu basteln. Ausgestattet mit Anatomieskelett Ferdinand, sozusagen als Bastelvorlage, und einem passenden Lehrbuch gingen sie ans Werk. Sie fachsimpelten darüber wie man die teilweise fragilen Knochen abstützen muss, damit sie während der einjährigen Lagerung in der Vitrine keinen Schaden nehmen. Dann zu Beginn des dritten Tages kam der zwischen 30–36 Jahren alte Mann in anatomisch korrekter Lage in seinem gläsernen Sarg zu liegen.

  • Die Restauratorin (hinten) und Volontär:in Fynn fachsimpeln über die Anatomie des menschlichen Skeletts (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Aus diesem "Bausatz" wird später ein komplettes Skelett (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Und so sieht das Endergebnis aus (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Work in progess: Noch ist die Vitrine nicht ganz fertig, aber das Konzept ist zu erkennen (Foto: LWL/K. Moritz).

Unsere zweite Restauratorin war währenddessen mit dem Bestücken weiterer Vitrinen mit Tier- und Menschenknochen und anderen spannenden Fundstücken beschäftigt. Sie drapierte, fixierte, klebte und am Ende kamen gute Gesamtdarstellungen zustande.

Derweil war der Restaurator mit der Praktikantin vom Museum im Depot verblieben, um weitere Objekte aus ihren Verpackungen zu befreien und ihren Zustand fotografisch sowie schriftlich festzuhalten. Die fertig aufgenommenen Funde wurden danach in die Regale und den Safe geräumt, wo sie auf ihre Einbringung in die Vitrinen warteten.

Die Polsterprofis lassen grüßen

Unterdessen wurden mein Volontärkollege Markus und ich von der hauseigenen Ausstellungsgestalterin zu Spezialisten im Polstern ausgebildet.
An unserem ersten Ausbildungstag bezogen wir mehrere Bodenplatten von Vitrinen mit Stoff. Soll ja alles schön glatt und einheitlich aussehen. Am zweiten Tag wurden die Herausforderungen dann schon kniffliger. Nach dem Bespannen einer Buchwiege, unserem Meisterwerk, hatten wir solch einen Höhenflug, dass wir kurz davor waren, uns mit unserem Talent selbstständig zu machen (kleiner Scherz und so).

Sieht das gut aus oder kann das weg?

Diese Frage habe ich mir gemeinsam mit einer Restauratorin die darauffolgenden Tage gestellt. Denn wir zwei haben versucht weitere Fundstücke wie wunderschön verzierte Keramikscherben, Schweineknochen und drei Pfeile in einer länglichen Vitrine so zu drapieren, dass sie was hermachen. Dafür wurden erstmal verschiedene Ebenen mit Sockeln aus Plexiglas geschaffen, denn nichts ist langweiliger als flach hingelegte Keramik. Die Knochen und Pfeile sollten laut Projektleiterin und Gestalter eine Verbindung erkennen lassen. Das war gar nicht mal so einfach, denn die Pfeile sind ziemlich lang und wir mussten uns etwas ausdenken, damit sie nicht im Knochenhaufen untergehen. Im Endeffekt haben wir diese Herausforderung clever mit einem Ständer gelöst, auf dem zwei Pfeilschäfte aufliegen und dadurch wirken als würden sie schweben. Den dritten haben wir durch geschicktes Puzzeln im Knochenhaufen fixiert.

In einer anderen Vitrine hatten wir dann das Problem, dass der Glockenbecher leider viel zu hoch war, um ihn aufrecht hineinzustellen. Um den Becher trotzdem unterbringen zu können, dazu hat die Restauratorin aus Styrodur eine Stütze geschnitten und geschnitzt. Nachdem diese mit Stoff bespannt war, konnten wir den Becher zumindest liegend in der Vitrine deponieren.

Derweil diskutierte der Restaurator mit Haustechniker, wie man am besten einen Wildschweinschädel präsentieren könnte. Dieser sollte ähnlich wie die Keramik nicht platt in die Vitrine gelegt, sondern ansprechend ausgestellt werden. Nach einem kurzen Brainstorming verschwand der Haustechniker in seiner Werkstatt und kam mit einem selbstgebastelten Ständer wieder. Auf diesen wurde dann der Schweineschädel gesteckt und tadaaa man hat eine perfekte Präsentation desselbigen. Leider habe ich es versäumt ein Foto des Endergebnisses zu machen.

Dadurch, dass wir so viele Leute waren, konnten wir das Einbringen der Objekte und die Gestaltung der Vitrinen relativ schnell über die Bühne bringen. Danach hieß es: Einmal wischen bitte! Denn einige Vitrinen hatten noch Farbkleckse und Klebereste, die entfernt werden sollten, denn sonst sieht ja keiner unsere gelungene Arbeit (so schlimm war es nun auch wieder nicht).

  • Diese Vitrine mit verzierten Keramikscherben, Schweineknochen und Pfeilen kann sich sehen lassen (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Restaurator (vorne) und Haustechniker überlegen wie sie den Wildschweinkopf am besten präsentieren können (Foto: LWL/K. Moritz).

  • Diese Vitrine ist so gut wie fertig und wartet nur noch auf ihre Absegnung (Foto: LWL/K. Moritz).

Fazit: Tour de Stonehenge

Ich konnte jetzt nur einen kleinen Einblick in den Alltag unserer Restaurator:innen während eines Ausstellungsaufbaus geben. Aber wie man sieht, wird man mit dem ein oder anderen Problem konfrontiert und muss sich eine gute Lösung ausdenken. Man und auch frau kann dabei seiner/ihrer Kreativität freien Lauf lassen, aber nur solange sie aus restauratorischer und konservatorischer Sicht vertretbar ist. Ich persönlich fand die Tage äußert spannend und blicke nun mit anderen Augen in die Vitrinen, weil ich weiß was für Arbeit dahintersteht.

 

Autorin: K. M. Moritz