Vergessener Riese wiederentdeckt

20.01.2017 Carolin Steimer

Nur für geübten Augen zu erkennen: Dieser Stein hat eine lange Geschichte und gehört womöglich zu einem vergessenen Großsteingrab. Foto: LWL/M. Esmyol

Wie man über ein Megalithgrab stolpern kann

Sie faszinieren schon seit Urzeiten die Menschen, die „Begräbnisse für Riesen“. In Westerkappeln im Kreis Steinfurt ist insbesondere ein Großsteingrab mit dem Namen „Große Sloopsteene“ noch heute weithin sichtbar. Es gehört zu den am besten erhaltenen seiner Art und war jüngst Gegenstand beispielhafter Untersuchungen durch die Altertumskommission für Westfalen. Ein schlichter Spaziergang sorgte jetzt dafür, dass sich der archäologische Wissensstand schlagartig bereicherte.

Eigentlich wollte sich Christoph Grünewald lediglich ein Bild von der aktuellen Situation des Bodendenkmals machen, als er unlängst unweit der „Großen Sloopsteene“ zu Fuß unterwegs war. Eine Exkursion mit Fachkollegen wollte vorbereitet werden. Dafür nahm der Leiter der Außenstelle Münster der LWL-Archäologie für Westfalen auch den angrenzenden Wald näher in Augenschein. Dabei stolperte er fast im wahrsten Sinne über einen ca. 1 mal 1,20 Meter großen Stein, der alles andere als gewöhnlich anmutete. Es läuteten sofort die inneren Alarmglocken.

Geländemodell mit der Lage der Großen Sloopstene und des zweiten zerstörten Megalithgrabes. Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/U. Brieke; Altertumskommission für Westfalen/S. Hofer)

Denn der Fachmann hatte natürlich noch die Skizze im Kopf, die von dieser Fundstelle in den Akten aufbewahrt wird. Demnach soll es neben den „Großen Sloopsteenen“ noch ein weiteres Megalithgrab gegeben haben. Es soll rund 500 Meter entfernt errichtet worden sein. 1925 gab es gemäß der Überlieferung der Zeitzeugen noch fünf Findlinge, die einst die Grabkammer dieser gewaltigen Anlage bildeten. Später war jede Spur von der Erdoberfläche getilgt. Wegearbeiten beseitigten die Findlinge. Der Ort, an dem laut Volksmund ein Zauber auf dem Grab liegt, gar Widukind in einem goldenen Sarg oder doch wenigstens ein König bestattet sein mag, geriet in Vergessenheit. Bis heute.

Bis der Zufall den Archäologen an diese Stelle rund 50 Meter entfernt vom alten Standort führte. Die Vermutung liegt nahe, dass hier der letzte Stein des vergessenen Megalithgrabes wieder aufgetaucht ist – nach fast 100 Jahren in Vergessenheit. Der Zufallsfund bereichert jetzt auch die erste Publikation der Altertumskommission für Westfalen in der neuen Reihe „Megalithgräber in Westfalen“ über die „Großen Slopsteene“.

Megalithgräber wurden von den Menschen der sogenannten Trichterbecherkultur errichtet. Sie dienten zwischen 3.500 und 2.800 v. Chr. gleich mehreren Generationen für die Bestattung ihrer Toten. Über einen Gang gelangte man in die Grabkammer, die vollständig aus großen Findlingen errichtet und von einem Kranz aus weiteren Findlingen umgeben war. Gräber dieser Art sind im Norden von den nordöstlichen Niederlanden bis nach Dänemark und Südschweden, im Osten bis nach Polen und südöstlich bis in die Altmark von Sachsen-Anhalt verbreitet.