Das Knochenstück ist zu einer ca. 3 x 1 x 0,5 cm großen, schmalen, dreieckigen Form mit einem leicht trapezförmigen Querschnitt bearbeitet worden. Das Stück ist in einer ca. 0,5 cm messenden Lochung zerbrochen. Die Schauseite (spongiöse Innenseite des verarbeiteten Knochens) ist mit waagerechten, leicht geschwungenen Einkerbungen verziert. Die übrigen Seiten sind geglättet. Ein kleines Detail: Auf der Unterseite, der Außenfläche des Knochens, befinden sich zwei ca. 0,5 cm lange, schräge, aber eng und parallel beieinanderliegende Schnittspuren der Zerlegung bzw. der Säuberung des Knochens. Von welchem Tier der leicht patinierte Knochen stammt, bleibt unklar. Professionelle Knochenschnitzer bearbeiteten häufig die Mittelfußknochen von Rindern, da sie relativ groß und gerade waren sowie eine dicke Kompakta (feste Außenwand des Knochens, im Gegensatz zum schwammartigen Inneren des Knochens, der Spongiosa) besaßen. Sie eigneten sich also besonders gut für Schnitzereien.
Der Fund ist am ehesten als schmückender Anhänger zu interpretieren, der nicht aus einer Knochenschnitzer-Werkstatt stammt, sondern – vielleicht als „Spontanartefakt“ – von einer handwerklich begabten Person angefertigt worden ist. Zweifelsohne war sie im Umgang mit Messer, Feile und Bohrer geübt, doch mag die große Bohrung im Verhältnis zum Objekt, die letztlich zum Bruch führte, auf mangelnde Material- und Proportionskenntnisse und auf geringe Erfahrung bei der Bearbeitung von Knochen hindeuten. Doch vielleicht diskreditieren wir die Person mit dieser Deutung auch und der Anhänger wurde lange genutzt? Selbst bei anderen Interpretationen bleibt die mögliche Datierung interessant: Die wenigen Keramikscherben aus der Befundverfüllung deuten in das Frühmittelalter (Dr. Eva Cichy), eine Epoche, aus der das archäologische Fundmaterial ohnehin schon rar ist.
Thomas Poggel M.A.
Literatur:
Marianne Erath, Studien zum mittelalterlichen Knochenschnitzerhandwerk: die Entwicklung eines spezialisierten Handwerks in Konstanz (Freiburg 1996).