Werkstatt-Archäologie: Ausgrabung in einer 2500 Jahre alten Urne

30.11.2023 Corinna Hildebrand

Während des Baus der L712 in Bielefeld-Milse entdeckte ein Team der Bielefelder Außenstelle eisenzeitliche Bestattungen des 8. bis 5. Jahrhunderts v. Chr. Die im Gipsblock geborgene Urne durfte ich im Rahmen meines Freiwilligen Sozialen Jahres in der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen in der dortigen Werkstatt „ausgraben“.

Während der Freilegung wird jedes Planum (PL1-5) mit Fototafel dokumentiert. (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Fritzen)

Die Werkstattgrabung wird dokumentiert

Zwischendurch mache ich etwa alle fünf Zentimeter Fotos von dem sogenannten Planum, also jeweils der von mir abgegrabenen ebenen Oberfläche innerhalb der Urne. Dabei notiere ich kurz, was sich innerhalb des jeweiligen Planums feststellen ließ, wie z.B. Leichenbrand oder Holzkohle. Für die Fotos des jeweiligen Planums platziere ich eine Fototafel mit den wichtigsten Informationen, wie z.B. der Fundort, die Nummer der Urne sowie das jeweilige Planum neben der Urne. Dies ermöglicht auch später noch eine entsprechende Zuordnung der Fotos.

Die Geduld wird belohnt: hier ist der Zahn eines erwachsenen Menschen zu sehen – ohne Karies! (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Fritzen)

Bergung Schicht für Schicht

In dem Sediment, mit dem die Urne nach dem Freilegen noch gefüllt war, ist immer wieder einiges an Leichenbrand zu finden. Um diese verbrannten Knochen freizulegen und schichtweise zu bergen, nutze ich einen kleinen Spachtel oder einen Zahnstocher. Damit bemühe ich mich, den Leichenbrand möglichst in ganzen Stücken vom Sediment zu trennen. Dabei sind viele Stücke nur noch so fragmentarisch erhalten, dass oftmals nur noch von der Anthropologin bestimmt werden kann, um welchen Knochen es sich ursprünglich gehandelt haben könnte. Besonders faszinierend finde ich bei dieser Tätigkeit das Finden von Zähnen oder Zahnstücken, da ich diese Überreste auch als Laie erkennen kann.

Bergen und Reinigen der Scherben und Knochen

Beim Freilegen der zerscherbten Urne lege ich die einzelnen Scherben, die dabei nach und nach zum Vorschein kommen, schon möglichst so auf ein Tablett, dass mir Puzzeln und Kleben im Anschluss leichter fallen. Aus diesem Grund nehme ich mir auch nur jeweils eine Scherbe, wasche sie mit einer Bürste und entferne die noch anhaftenden Sedimentreste und lege sie dann an dieselbe Stelle wie zuvor, nur auf ein weiteres, zweites Tablett zum Trocknen.
Auch der Leichenbrand muss gewaschen werden. Hierfür nehme ich mir ein Sieb zur Hilfe, damit das anhaftende Sediment vom Brandrest getrennt wird. Oft muss ich dann allerdings noch den Leichenbrand von Steinchen oder anderen Kleinteilen trennen.

Die gewaschenen Scherben trocknen einzeln auf Tabletts und werden anschließend geklebt – beim Auslesen des Leichenbrandes aus den Kleinteilen ist Geduld gefragt. (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Fritzen)
Lohn der Arbeit: eine komplette Urne mit Fingertupfen auf dem Rand – typisch für die vorrömische Eisenzeit. (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Fritzen)

Die Urne wird zusammengesetzt

Das Rekonstruieren und Kleben der Scherben ist eine der Sachen, die mir am meisten Spaß macht. Hier zahlt sich eine sorgsame Vorarbeit aus, denn so ist es mir schnell möglich, zusammenpassende Stücke zusammenzusetzen.
Bei der Rekonstruktion dieser Urne war vor allem ein Loch im Boden problematisch, da das Kleben vom Boden hinauf zum Rand nicht richtig möglich war. Das Loch im Boden wurde aber durch den in Gänze erhaltenen Gefäßrand wettgemacht. Dieser war mit Fingertupfen verziert. Durch die Verzierung- und die Gefäßform ist es den Archäologen möglich, die Urne zu datieren - und das ist ein schönes Ergebnis meiner Arbeit.

Zum Schluss wird alles sicher zum Abtransport verpackt. (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Spiong)

Verpacken der Urne

Nachdem die Urne nun gewaschen, ausgenommen und rekonstruiert ist, wird diese vorsichtig in einem Karton zusammen mit den Restscherben verpackt. Der vorher von mir geborgene und gewaschene Leichenbrand wird eingetütet und ebenso zu der Urne gelegt. Wichtig ist bei diesem Arbeitsschritt, dass alles genau beschriftet wird – dies verhindert das Durcheinandergehen oder den Verlust des Inhalts. Denn während die Urnen nach dem Zeichnen ins Magazin kommen, geht der Leichenbrand zur Bestimmung an eine Anthropologin.

 

Text: Lioba Fritzen

 

Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren können sich gerne bei der Jugendbauhütte Westfalen für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Bodendenkmalpflege zum September 2024 bewerben.
Nähere Infos unter:
https://www.denkmalschutz.de/denkmale-erleben/jugendbauhuetten/bewerben.html