Achtung Experiment - Teil 12

30.07.2018 Carolin Steimer

Der Rennofen verbreitete nachts eine stimmungsvolle Atmosphäre (Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/G. Steffens)

Es hat sich ausgebrannt...

Es ist Ruhe eingekehrt beim Nachbau eines eisenzeitlichen Verhüttungsofens im LWL-Freilichtmuseum Hagen. Nach einer Woche intensiver Arbeit über Tage und Nächte am Stück hinweg, verließen die Forscherinnen und Forscher am vergangenen Sonntag den Schauplatz. Trotz der Erschöpfung strahlten die Gesichter: Erstmals gelang es, in diesem Ofen erfolgreich das eisenzeitliche Verhüttungsverfahren zu verstehen, überkommene technische Thesen zu widerlegen und aufsehenerregende neue Hypothesen aufzustellen.

Mit einem archäologischen Experiment versucht hier eine Kooperation aus LWL-Archäologie für Westfalen, Deutschem Bergbau-Museum Bochum, LWL-Freilichtmuseum Hagen, Ruhr-Universität Bochum und Römisch Germanischen Zentralmuseum Mainz die über 2000jährige Technik der Eisengewinnung im Siegerland zu verstehen und die Prozessabläufe zu rekonstruieren. Nach einer erkenntnisreichen Experimentreihe im Jahr 2017, stellte die vergangene Woche mit einem zweiten Experimentdurchlauf den Höhepunkt und gleichzeitig den Abschluss der Arbeiten mit dem Ofennachbau dar. Das archäologische Experiment versteht sich als wichtige Grundlagenforschung, denn die Siegerländer Öfen der Eisenzeit waren die größten ihrer Epoche in Europa und lassen große Produktionsmengen erwarten. Da aber beispielsweise Aspekte wie der Ressourcenbedarf oder die Logistik und die Betriebsabläufe nicht durch Ausgrabungen geklärt werden können, sollte hierzu ein Experiment Ansatzpunkte zum Verständnis liefern.

Bei über 1100 °C … (Foto: LWL/ M. Zeiler)

Im letzten Blog-Beitrag berichteten wir darüber, dass wir seit Samstag (14.7.) den holzgefüllten Ofen langsam hochfuhren und seit Sonntag (15.7.) erstmals auch Erz zugaben. Die Erfahrungen des Experimentes von 2017 hatten uns gelehrt, dass der Ofen – sofern ausreichend Brennstoff vorhanden ist und er genügend Zeit bekommt – sich von selbst in eine ideale Verhüttungsatmosphäre einpendeln kann. Das heißt, dass er im gesamten Querschnitt über 1100°C sowie sauerstoffarme Atmosphäre aufweist. Dies gewährleisteten wir, indem wir in Abständen etlicher Stunden Holz in großen Fuhren einfüllten, so allmählich einen glühenden Brennstoffkörper schufen und dann den Ofen in Ruhe ließen. Im Gegensatz zum letzten Jahr verwendeten wir keine Blasebälge und im Ofen steigerte sich über Stunden die Temperatur „von selbst“ in den Idealzustand. Beim Erreichen von Temperaturen von 950 °C im gesamten Ofenquerschnitt gaben wir Erz hinzu und überließen den Ofen wieder sich selbst. So entwickelte sich ein Turnus, bei dem alle anderthalb Tage Erz zugeführt wurde und der Ofen die gesamte Zeit am Laufen gehalten wurde.

… bildete sich im Ofen Schlacke. Am Übergang von Schürkanal und Ofenkörper entstand ein Schlackenklotz (Foto: Ruhr-Universität Bochum/ A. Eisele)

Mit der Zeit bildete sich ein massiver Schlackenklotz am Übergang zwischen Schürkanal und Ofenkuppel. Diesen Klotz erkannten wir durch ein Loch im Ziegel, mit dem wir den Kanal befundgetreu verschlossen hatten. Wir diskutierten zunächst, ob das Loch wichtig für die Belüftung des Ofens sei. Maria Arians-Kronenberg und Heinz Hadem bewiesen dann aber das Gegenteil: Es stellt sich nämlich kein Unterschied im Ofen ein, wenn das Loch im Ziegel verschlossen oder offen war. Somit halten wir nun für wahrscheinlich, dass das Loch dem eisenzeitlichen Hüttenmann Hilfestellung für seine Arbeit gab. Doch wofür? Archäologische Ausgrabungen erbrachten, dass die Siegerländer Verhüttungsöfen mehrfach genutzt werden konnten und archäometallurgische Untersuchungen machten es darüber hinaus möglich, dass viele Verhüttungsvorgänge am Stück durchgeführt wurden. Voraussetzung hierfür ist, dass Verhüttungsprodukte wie Schlacke während des Prozesses entfernt werden können. Diese Hypothese konnten wir belegen, indem wir nach der Entdeckung des Schlackenklotzes durch das seitliche Düsenloch den Ziegel entnahmen, innerhalb einer Viertelstunde den Schlackenklotz entfernten und den Kanal dann wieder verschlossen. Dies führte nur zur kurzfristigen Absenkung der Temperatur im Ofen und der Prozess wurde dann über weitere Tage fortgesetzt.

Insgesamt betrieben wir erfolgreich den Verhüttungsofen kontinuierlich über fünf Tage und vier Nächte am Stück, gaben mehr als 170 Kilogramm Erz hinein und verbrauchten über vier Tonnen Holz. Der Ofen brauchte schließlich drei Tage um abzukühlen und wurde im Beisein einer großen interessierten Öffentlichkeit und der Filmcrew der WDR-Lokalzeit aus Dortmund vorletzten Sonntag (22.7.) geöffnet und ausgeräumt. Genauso wie 2017 wurde dabei das Material nach den unterschiedlichen Lagepositionen im Ofen unterschieden und anschließend bestimmt, gewogen sowie verprobt. Es wird nun zum Deutschen Bergbau-Museum Bochum gebracht, wo es der Archäometallurge Daniel Demant analysieren wird. Ebenfalls wie letztes Jahr wurde auch aus den unterschiedlichen Ofenbereichen Holzkohle eingesammelt, die Nicole Boenke an der Ruhr-Universität Bochum in Hinsicht auf den Grad der Verkohlung untersuchen wird.

Als die ersten Schlacken bereits bei der Ausräumung des ersten Klotzes während der Verhüttung ans Tageslicht kamen, entstand großer Jubel im Forscherteam, denn die Experimentschlacken gleichen denjenigen, die die archäologischen Ausgrabungen an den eisenzeitlichen Hüttenplätzen erbrachten. Auch die Schlacken, die nach der Verhüttung ausgeräumt wurden, bestätigen dieses Bild und zeigen, dass sich das Experiment offensichtlich sehr dem eisenzeitlichen Prozessablauf genähert hatte. Dies bestätigen auch die Temperaturmessungen, die an verschiedenen Positionen im Ofen permanent aufgezeichnet und von Erica Hanning von Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz aufbereitet wurden: Tatsächlich gelang durch den auf lange Dauer konzipierten Prozess mit sich abwechselnden Beschickungs- und daran anschließenden langen Ruhephasen eine ideale Temperaturführung. Ulrich Katschmarek vom Institut für Ziegeleiforschung, der die Sauerstoffmessung im Ofen realisierte, konnte zudem nachweisen, dass in Zeiten idealer Verhüttungstemperatur auch Sauerstoffarmut im Ofen herrschte.

Die nächste zentrale Frage ist nun: Wieviel Eisen konnten wir produzieren und welche Qualität hat es? Nach den Analysen Daniel Demants, der bereits das im Experiment 2017 produzierte Eisen untersucht hat, wollen wir in einem Schmiedeexperiment aus den verunreinigten Eisenschwämmen (Luppe) zumindest teilweise Eisen ausschmieden. Wir werden darüber berichten. Sicher kann aber auch bereits vor den archäometallurgischen Analysen die Aussage getroffen werden, dass wir nicht die Eisenmenge produzierten, wie es zur Eisenzeit möglich war – in zwei Experimentdurchläufen ist eine über Generationen gewachsene Erfahrung der keltischen Spezialisten nicht rekonstruierbar.

Welches Fazit können wir ziehen? Zum einen gelang es uns 2018, den eisenzeitlichen Prozessablauf zumindest andeutungsweise zu rekonstruieren, was viele überkommene Ansichten zu den Siegerländer Öfen widerlegt: Diese Öfen konnten gut mit Holz als Brennstoff gefahren werden, es waren keine Blasebälge notwendig und durch die regelmäßige Entnahme von Schlackeklötzen war ein lang andauernder Prozess möglich. Gerade die Prozessführung über eine lange Zeit zeigt sich als wesentlicher Parameter der eisenzeitlichen Betriebsführung. Wichtige Erkenntnis ist zudem, dass – sofern Erze und Brennmaterial vorbereitet und in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen – drei Arbeiter am Ofen zu dessen Bedienung genügen. Da sich arbeitsintensive Phasen mit lang anhaltenden arbeitsfreien Phasen ablösen, ist es sogar möglich, dass die drei Arbeiter einen bis zwei weitere Öfen gleichzeitig, aber mit zeitlich versetzten Verhüttungsbeginn betreiben konnten. Dies ist erstaunlich und bietet einen wichtigen Erklärungsansatz zu den vielfach nachgewiesenen, regelrechten Ofenbatterien an einigen Siegerländer Fundstellen.

Viele weitere Fragen bleiben zu klären. Dazu sind die Untersuchungen abzuwarten, erst dann ist eine Zusammenschau aller Ergebnisse vorzunehmen. Bereits jetzt sind wir aber stolz, einige grundsätzliche Fragen zu den beeindruckenden eisenzeitlichen Anlagen beantworten zu können, neue Erklärungsansätze einer vor 2000 Jahren in Vergessenheit geratenen Technologie geliefert zu haben und erstmals das Ausmaß an Ressourcenbedarf für den Bau, Unterhalt und Betrieb der Rennöfen skizzieren zu können: Der eisenzeitliche Rennofen des Siegerlandes – ein Ausrufezeichnen in der Entwicklung der Eisenhüttentechnologie!

Manuel Zeiler