Achtung Experiment – Teil 2

10.04.2017 Carolin Steimer

Das Experiment geht zügig voran: Lehmbau des Ofens am zehnten Bautag. Die zweite Lehmwandung ist bereits fast auf der Höhe des zukünftigen Düsenkranzes (Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner)

Fortsetzung des Experimentes der LWL-Archäologie für Westfalen zur eisenzeitlichen Metallurgie im LWL-Freilichtmuseum Hagen

Was bisher geschah: Bereits letzte Woche startete ein ungewöhnliches archäologisches Experiment. Eine Forschungskooperation aus LWL-Archäologie für Westfalen, dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, der Ruhr-Universität Bochum sowie dem LWL-Freilichtmuseum Hagen baut im Sauerland (!) einen Verhüttungsofen der Eisenzeit des Siegerlandes (!) nach. Ziel ist die Rekonstruktion der Verhüttung von Eisenerz in einem der größten eisenzeitlichen Verhüttungsöfen Europas, wie sie archäologische Ausgrabungen nachwiesen. Die Fortschritte der ersten Woche haben wir bereits an dieser Stelle vorgestellt (s. link unten).

 

 

Das Zerpochen der Tonerde ist mühsam und zeitraubend (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler)

Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen des Lehmbaus: Nachdem in der Woche zuvor der Bau des hölzernen Grundgerüstes gelang, wurde seit dem 03. April darauf die Lehmwandung aufgebracht. Hierzu musste zunächst einmal ein Lehm hergestellt werden, der dem archäologischen Befund nahe kommt. Denn das Besondere an den eisenzeitlichen Verhüttungsöfen des Siegerlandes ist die Magerung mit Mullit. Mullit ist ein seltenes Mineral, welches weder im Siegerland, noch in den benachbarten Regionen ansteht. Allerdings kann der Mullit in der eisenzeitlichen Ofenwand durch den Verhüttungsprozess indirekt entstanden sein. Denn ein anderes Mineral, Kaolin, wandelt sich bei 1200°C Kaolin zu Mullit um. Diese Temperatur wird bei den eisenzeitlichen Brennvorgängen erreicht worden sein, weswegen wir davon ausgehen, dass ursprünglich Kaolin in die Ofenwände eingemagert wurde.

Kaolin findet sich tatsächlich als Bestandteil von Tonerde im Siegerland bei Burbach oder im benachbarten Westerwald. Diese Tonerden werden bis heute bergmännisch gewonnen. Wir gehen davon aus, dass dieses Material auch in der Eisenzeit verwendet wurde. Dies ist bemerkenswert, denn es bedeutet, dass die Kelten im Siegerland nicht nur Bergbau auf Eisenerz sondern auch im großen Maße auf Tonerde betrieben.

Wir haben mehr als eine Tonne dieser Tonerde bergfrisch besorgt und für das archäologische Experiment in das LWL-Freilichtmuseum Hagen geschafft. Dieses Material ist aber überwiegend grobkörnig und muss zerkleinert werden, um es in der archäologisch nachgewiesenen Korngröße einzumagern. Dies stellte uns vor unerwartete Probleme: Nur trockene und große Tonerdebrocken lassen sich gut zu Mehl pochen. Das erdfeuchte und kleinkörnige Material  musste dagegen zunächst getrocknet und dann aufwändig zermahlen werden. Das Zerkleinern der Tonerde ist der aufwändigste, zeitintensivste und personalintensivste Arbeitsschritt bei der Lehmherstellung – dies ist ein unerwartetes Zwischenergebnis des Experimentes.

Die archäologischen Ausgrabungen von eisenzeitlichen Verhüttungsplätzen bargen regelhaft Steinartefakte, die als Mahl- oder Schleifsteine interpretiert wurden. Bislang wurde ihr Zweck allein im Zerkleinern von Erzen gesehen. Aufgrund unserer Erfahrungen mit der Tonerde können wir nun die Hypothese aufstellen, dass die eisenzeitlichen Mahlsteine auch zum Zerkleinern der Tonerde gedient haben können.

In zwei Schichten zu drei bzw. zu zehn Zentimetern Stärke wurde der Lehm auf das hölzerne Gerüst aufgetragen – die archäologisch ausgegrabenen Vorbilder lassen diesen Aufbau des Lehmbaus nachvollziehen.

Ebenso wie in der letzten Woche leitete Heinz Hadem aus Siegen-Oberschelden den Ofenbau an und besonders die engagierten Studierenden der Ruhr-Universität Bochum setzten dies um.

Beim Auftragen der zweiten, dickeren Lehmschicht sackte diese über Nacht partiell ab und es bildete sich ein Riss. Um diesen schließen zu können und die Ofenwand an dieser Stelle zu stabilisieren, mauerte Heinz Hadem dort ein mehrlagiges Mauerwerk auf und verfugte es mit Lehm. Zunächst fassten wir dies als enttäuschenden Misserfolg auf. Dann entdeckte aber Heinz Hadem beim Profilfoto des Befundes des geschnittenen eisenzeitlichen Verhüttungsofens der Wartestraße von Siegen-Niederschelden eine gleichartige Situation, die bislang unbeachtet war: Auch dort ist an der Basis einer Seite eine zweilagige Mauer mit Lehmmörtel zu erkennen, wogegen gegenüberliegend diese Mauer nicht besteht. Es ist vorstellbar, dass auch die keltischen Hüttenleute Probleme beim Bau der Ofenwandung hatten und die äußere Schicht partiell durch eine Mauer stabilisierten. Das Experiment liefert somit wichtige Ansätze einen vermeintlich verstandenen Grabungsbefund neu zu deuten.

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