Attendorn: Archäologische Quelle ohne Not zerstört

26.08.2020 Carolin Steimer

Attendorn, Am Spindelsburggraben 13. Im August 2020 konnte nur noch ein kümmerlicher Rest der älteren Vorgängerbebauung im Altstadtbereich dokumentiert werden. – Foto: LWL-AfW Olpe/Lutz Cramer

Ein aktueller Erfahrungsbericht aus dem Kreis Olpe

Dienstag, 18. August 2020, vormittags. Mein Sekretariat leitet mir eine Mail von vorangegangener Nacht weiter, worin die Vorsitzende des Vereins für Orts- und Heimatkunde Attendorn e.V., Gabriele Schmidt, berichtet, dass sie bei Bauarbeiten am „Am Spindelsburggraben 13“ in den Wänden der Baugrube Mauerreste gesehen habe.

„Am Spindelsburggraben 13“, in der Südwestecke in der Attendorner Altstadt gelegen, kannten wir die Planung einer Baumaßnahme nicht, oder haben wir zu dieser Planung nichts gesagt? Immerhin sind wir hier sehr nahe an der mittelalterlichen Stadtmauer; hatten wir an die Stadt tatsächlich keine Auflagen wegen einer archäologischer Verdachtsfläche (ein „vermutetes Bodendenkmal“ nach dem Denkmalschutzgesetz NRW, seit Artikelgesetzänderung 2013) in dem Areal formuliert? Nun – hatten wir doch, schon im Januar 2020.

Am nächsten Morgen, kurz vor 8 Uhr vor Ort. Die Baugrube für ein Mehrparteienhaus ist bereits vollständig ausgehoben, der Boden geschottert und verdichtet. Ein Blick auf die etwa 4 m hohen Baugrubenwände zeigt schnell, dass an zwei Stellen noch Mauerreste und diverse Brandschichten oberhalb einer Flussschotterlage zu sehen sind. Der Zusammenhang zwischen diesen archäologischen Befundsituationen (und ganz zu schweigen vom bereits weggebaggerten Hauptteil) ist natürlich dahin. Die Kollegen Lutz Cramer und Fabian Geldsetzer legen in den Baugrubenwänden die archäologisch relevanten Partien frei und dokumentieren sie, so gut es geht. Leider kann aussagekräftiges, datierendes Fundmaterial nicht geborgen werden; das ist mit den LKWs abtransportiert worden. Der Fundzusammenhang ist natürlich auch zerstört.

Blick auf die Baugrubenwände mit den relevanten Restbefunden. – LWL-AfW Olpe/Michael Baales

Schade, ohne Not ist ein Puzzlestein der ältesten Ortsgeschichte Attendorns zerstört worden. Dass es auch anders geht, hatten wir ja im gleichen Jahr noch mit den Grabungen am Franziskanerkloster vor dem Rathaus ausreichend dokumentieren können, die, natürlich, Geld kosten, aber einige neue Erkenntnisse zu eben dieser ältesten Ortsgeschichte ergeben haben. Grundsätzlich sind derartige Grabungskosten – das zeigen unsere langjährigen Erfahrungen – nicht so hoch, dass sie ein Bauvorhaben gefährden könnten. Sollte dies uns das dann nicht wert sein?

Woran hat es gehakt im Fall „Am Spindelsburggraben 13“? Unsere Auflage ist im Januar 2020 an die zuständige Behörde der Stadt Attendorn gegangen und zusammen mit weiteren Auflagen von dieser an den Kreis Olpe als in diesem Falle zuständiger Genehmigungsbehörde weiter gereicht worden – findet sich dann aber in den ausgestellten Baugenehmigungen nicht wieder.

Zusammensicht der Baugrubenwände mit den archäologisch relevanten Befunden: links: Brandschichten oberhalb des Schotterpakets, rechts: Bruchsteinmauerrest. – Foto: LWL-AfW Olpe/Lutz Cramer

Wir hoffen sehr, dass dies – die unnötige Totalzerstörung ohne Dokumentation eines kleinen Teils der ältesten Attendorner Stadtgeschichte – ein Einzelfall bleibt. Ich appelliere nachdrücklich an den Kreis Olpe und alle anderen kommunalen Planungs- und Genehmigungsbehörden, unsere Auflagen ernst zu nehmen und uns grundsätzlich bei Planungen jeglicher Art in ihrem Verantwortungsbereich zu beteiligen, so, wie es die oben zitierte Verwaltungsvorschrift für alle öffentlichen Planungen vorsieht.

Denn gerade die kommunalen Planungsbehörden tragen ein großes Stück der Verantwortung für unser kulturelles Erbe, das im Boden noch unzerstört liegt, und für eine sachgerechte Dokumentation, wenn denn zerstörende Bauarbeiten unumgänglich sind. Ich denke, eigentlich sollte es doch gerade für die lokalen Behörden ein Anliegen sein, ihre eigene Geschichte vor Ort nicht „sang und klanglos über die Wupper“ gehen zu lassen. Und zudem ist es für die Bauherren nicht schön, wenn dann – wie jetzt – während der Bauphase die ArchäologInnen doch noch anrücken und es zu unnötigen Bauverzögerungen kommt. Das wollen wir gerne so weit wie möglich vermeiden.

Literatur

Baales, M. (2019): Archäologische Denkmalpflege im Kreis Olpe – oder: wie funktioniert eigentlich präventive Archäologie? Südsauerland – Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe 1/2019, 5-24.

Michael Baales