Ausgrabung in der Warburger Börde

31.10.2019 Carolin Steimer

Studierende erforschen im Rahmen einer Lehrgrabung die Jungsteinzeit

Von Mitte August bis Ende September fand in diesem Sommer eine 6-wöchige Lehrgrabung als Kooperation der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Bielefeld mit der Westfälischen Wilhelms Universität Münster statt. Neun Studierende nahmen daran teil und lernten Abläufe und Techniken des Grabungsalltags kennen.

Jeder Studierende arbeitet an seinem eigenen Befund. Mithilfe von Kratzern wird die Erde sorgfältig abgetragen, bis die Umrisse im Profil vollständig zu sehen sind. Foto: LWL – Archäologie für Westfalen/M. Hahne

Die für die Lehrgrabung ausgewählte Fundstelle liegt in der Bauernschaft Schönthal und gehört zu Eissen, einer Gemeinde der Stadt Willebadessen im Kreis Höxter, weshalb die Stadt Willebadessen ebenfalls an Planung und Durchführung der Arbeiten beteiligt war. Nicht nur der Fundplatz selbst, sondern auch seine Entdeckungsgeschichte sind dabei besonders interessant. Nachdem Anfang 2018 auf Luftbildern eines Schönthaler Feldes veränderte Bewuchsmerkmale in Form eines Halbkreises entdeckt wurden, fand dort im folgenden Sommer bereits eine kleine Grabung statt, um den Charakter des möglichen Bodendenkmals zu ergründen. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Grabenanlage der Michelsberger Kultur (etwa 4200–3600 v. Chr.). Aufgrund dieser Erkenntnisse führte Joris Coolen als Spezialist für Magnetprospektion der LWL – Archäologie für Westfalen im Gebiet um die Grabenanlage Messungen durch und konnte überraschend etwas südöstlich der Grabenanlage etwa ein Dutzend Grundrisse großer Langhäuser nachweisen. Die erfassten Haustypen sind charakteristisch für die fortgeschrittene Linearbandkeramische Kultur (etwa 5200–4800 v. Chr.). Die Fundstelle ergänzt somit  auch das bereits bekannte verdichtete Siedlungsbild dieser Epoche innerhalb der Warburger Börde.

Bei der Magnetprospektion werden Veränderungen im Boden dunkler abgezeichnet, als unberührte Bereiche. So treten zum Beispiel Gräben und Hausgrundrisse hervor. Abbildung: LWL – Archäologie für Westfalen/J. Coolen

In Absprache mit Prof. Dr. M. H. Rind, dem Direktor der LWL – Archäologie für Westfalen sowie Dr. K. Schierhold, wurde daraufhin die Lehrgrabung ins Leben gerufen, um einen der Hausgrundrisse genauer zu erforschen. Neben der Klärung archäologischer Fragen sollte die Grabung den teilnehmenden Studenten ein Umfeld bieten, in dem sie grabungstechnische Fähigkeiten sowie die theoretischen Grundlagen erlernen und erproben können.

Die Fläche wird mit dem Tachymeter eingemessen, während das Gefälle zusätzlich mit einem Nivelliergerät dokumentiert wird. Foto: LWL/M. Hahne

Zu diesem Zweck wurden nicht nur moderne Messmethoden mit dem Tachymeter geübt, sondern auch die händische Höhenmessung mit dem Nivelliergerät und das Vermessen und Zeichnen von größeren Befunden per Hand mit Lot, Zollstock und Millimeterpapier. Nach der ersten Dokumentation aller Einzelbefunde wurden einige davon exemplarisch geschnitten und jeder Studierende legte einen Befund selbstständig tiefer, bis dieser im Profil vollständig erkennbar war.

Im Profil von Befund 8 erkennt man sowohl das Pfostenloch, als auch die Umrisse des verrotteten Pfostens selbst. Foto: LWL – Archäologie für Westfalen/M. Hahne

Daran anschließend wurden die Profile geputzt und fotografiert. Auch die Profilzeichnungen wurden unter Anleitung der Grabungstechnikerinnen Maria Hahne und Sophia Lippe von den Studierenden eigenhändig angefertigt. Dieser Schritt ist unter dem Lernaspekt besonders wichtig, da man während der Erstellung einer zentimetergenauen und möglichst wirklichkeitsgetreuen Zeichnung sehr genau hinsehen muss und unter Umständen Strukturen erkennt, die auf den ersten Blick nicht ins Auge fallen. Neben der eigentlichen Grabungstätigkeit wechselten sich die Studierenden auch bei der detaillierten schriftlichen Dokumentation von Befunden und dem Führen des Grabungstagebuchs ab.

Eine Studentin erstellt mithilfe von Zollstock und Millimeterpapier eine originalgetreue Zeichnung der Erdschichtungen innerhalb des Befunds. Foto: LWL – Archäologie für Westfalen/M. Hahne

Die wissenschaftlichen Grundlagen waren von Prof. Dr. M. H. Rind bereits in einer vorhergegangenen Lehrveranstaltung gefestigt worden. Zusätzlich wurden die Studierenden neben den anwesenden Grabungstechnikerinnen aber auch im Gelände durch Prof. Dr. M. H. Rind und Dr. K. Schierhold sowie Dr. H.-O. Pollmann von der Außenstelle Bielefeld betreut.

Die Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Rind, Dr. Kerstin Schierhold und Dr. Hans-Otto Pollmann erörtern fachliche Fragen direkt vor Ort. Foto: LWL – Archäologie für Westfalen/M. Hahne

Dabei erbrachte die Lehrgrabung auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Die Tiefen der Pfostenlöcher am Ost- und Westende des Hauses zeigten zum Beispiel, dass das Langhaus offenbar mit leichtem Gefälle und nicht etwa ebenerdig gebaut war. Auf die archäologische Aufarbeitung und Interpretation der Daten durch Dr. Hans-Otto Pollmann von der Außenstelle Bielefeld dürfen also nicht nur die Studierenden gespannt sein, und dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten wird es auch im nächsten Jahr wieder eine Lehrgrabung, in Kooperation mit der Westfälischen Wilhelms Universität Münster geben.

 

Am stürmischen letzten Grabungstag zeigte sich ein fast vollständiger Regenbogen am Himmel. Foto: LWL – Archäologie für Westfalen/M. Hahne

Text: Sophia Lippe