Wieder entdeckt…

11.05.2017 Carolin Steimer

Ein Kleintransporter voller KZ-Funde (LWL-Archäologie für Westfalen/T. Poggel)

Funde der Ausgrabung im KZ-Außenlager Witten-Annen (Ennepe-Ruhr-Kreis) 1990/91

Das Telefon klingelt. „Ja…kein Problem…ja…alles klar…“ Kurze Zeit später fährt ein Kleintransporter vom Parkplatz der Außenstelle Olpe. Noch etwas später finden sich drei Mitarbeiter irgendwo in Witten wieder. Durch einen Seiteneingang werden sie herein gebeten und über eine enge verwinkelte Treppe in den Keller geführt. Dort geht es mit schnellen Schritten durch ebenso enge und zugestellte Gänge. Meter für Meter, im Labyrinth der Gänge mal links abbiegen, mal rechts abbiegen. Am Ende eine Luftschutztür.

 

„Hier ist es!“ Hinter der Tür befindet sich ein kleiner, nur wenige Quadratmeter großer Raum. Der Boden ist übersät mit halbzerissenen Kartons und Tüten. Ein Außenstehender, der das Treiben verfolgt und auch den Wege hierher gefunden hat, fragt verwundert: „Was wollt ihr denn mit dem Mist?“ Eigentlich sprachlos, aber doch gefasst kommt die Antwort: „Das ist kein Mist! Das sind Funde der ersten Ausgrabung in einem Konzentrationslager, einem Außenlager von Buchenwald.“ „In Witten? Hier gab es ein KZ?“

Sichten und Registrieren der Funde (LWL-Archäologie für Westfalen/H. Menne)

Eigentlich war nur bis Mitte der 1980er Jahre die Existenz des KZ-Außenlagers Witten-Annen vergessen und verschwiegen worden. Erst durch Nachforschungen einer Schulklasse ist es wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Zeitgleich zu historischen Forschungen sollte 1990/91 archäologisch sowohl die Lagerexistenz bewiesen, als auch Funde als Exponate einer möglichen Gedenkstätte geborgen werden. Seitdem sind die Ausgrabung und auch ihr Zäsurcharakter in der archäologischen Fachwelt zwar bisweilen bekannt, doch eine intensive Auseinandersetzung und ausführliche Veröffentlichung fehlt bis heute.

Als jüngst aus anderen Gründen der oben genannte „Fundkeller“ in Witten thematisiert wurde, traten unerwarteterweise große wie kleine Metallteile (z. B. Lagerausstattung, Suppenschüsseln der KZ-Insassen etc.) und Glas- und Porzellanscherben (Bier- und Weinflaschen womöglich der Wachmannschaften, Arzneimittel des Lagerarztes etc.) mit mäusezernagten Fundzetteln und der Beschriftung „KZ Witten-Annen“ zu Tage. Dankenswerterweise erinnerten sich Mitarbeiter der Stadt Witten daran, dass die LWL-Archäologie in Olpe schon vor Monaten andere eingelagerte Funde der Ausgrabung zu Dokumentationszwecken ausgeliehen hatte. Es folgte der Anruf in Olpe und wir sind froh, dass nun auch weniger repräsentative und vergessene, aber deshalb nicht zwingend bedeutlungslose Funde nach über einem Vierteljahrhundert fachgerecht dokumentiert und archiviert werden können.

Ein Fund von vielen: Metallmarken mit Nummern der KZ-Insassen (LWL-Archäologie für Westfalen/T. Poggel)

Auch die wieder entdeckten Funde können helfen, die oben genannte Forschungslücke ein Stück weit zu schließen. Die Arbeiten an einer kleinen Publikation, die neuere, historische Erkenntnisse mit den archäologischen Befunden und Funden der Grabung 1990/91 verbindet bzw. überprüft, befinden sich in der Endphase. Die Notwendigkeit dieser Neudarstellung ergibt sich nicht nur aus der weitgehenden Unkenntnis über das Außenlager Witten-Annen des KZ-Systems Buchenwald, sondern auch, weil die Ausgrabung den unauffälligen Beginn einer sich zurzeit entwickelnden „Holocaust Archaeology“ markiert.

Stück für Stück schwindet die Skepsis gegenüber der Archäologie als Wissenschaft zur Bearbeitung des 20. Jahrhunderts.

Wir danken den Mitarbeitern der Stadt Witten und freuen uns über weitere Kellerfunde!

 

Thomas Poggel M.A.

Wikipedia-Link zum KZ-Außenlager Witten-Annen

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