Unscheinbarer „Stein“ verlängert die Besiedlungsgeschichte des Kreises Olpe in die Zeit der Neandertaler

22.07.2016 Carolin Steimer

Handteller groß ist der Levallois-Kern aus Kieselschiefer, den G. Schmelter auf alten Lenne-Terrassen bei Lennestadt-Trockenbrück entdecken konnte. – Foto: H. Menne/LWL-AfW AS Olpe.

Unerwartetes Finderglück von Gilbert Schmelter aus Attendorn

Die Zahl der „klassischen“ Heimatforscher, die als unentbehrliche, ehrenamtliche Helfer der „offiziellen“ Bodendenkmalpflege die Ackerfluren ihrer Umgebung nach Keramikscherben oder Steingeräten absuchen und so Siedlungsstellen aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit entdecken, ist stark rückläufig. Das ist bedauerlich, da die LWL-Archäologie auch auf diese Informationen angewiesen ist, um z.B. die Gefährdung von Bodendenkmälern im Untergrund bei geplanten Baumaßnahmen besser einschätzen zu können. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Art sind also für die Sicherung von Spuren der ältesten Landesgeschichte unverzichtbar.

Allerdings gelingt es dabei nur selten, dass die (Ur-)Geschichte einer Ortschaft oder gar eines ganzen Kreises neugeschrieben werden kann. Doch genau dies gelang Herrn Gilbert Schmelter aus Attendorn, als er im Frühjahr dieses Jahres die Ackerflächen oberhalb der Lenne bei Lennestadt-Trockenbrück absuchte.

Seit einigen Jahren bereits arbeitet G. Schmelter mit den Archäologen der Außenstelle Olpe zusammen und legt uns vor allem Steingeräte vor; den ein oder anderen neuen Platz aus der Mittelsteinzeit konnte er dabei auch schon finden. Doch staunte ich nicht schlecht, als Herr Schmelter im Juli 2016 neben „den üblichen“ Funden einen deutlich größeren, ungewöhnlichen Stein präsentierte. Der gut 8 cm lange, vor allem dunkelgraue Stein aus Kieselschiefer, einem regionalen Rohstoff, zeigt deutliche Bearbeitungsspuren, die ihn als sogenannten „Levallois-Kern“ ausweisen, der für die Zeit der Neandertaler charakteristisch ist.

Freude beim Finder Gilbert Schmelter aus Attendorn. – Foto: H. Menne/LWL-AfW AS Olpe.

Diese Kerne dienten den Neandertalern dazu, mittels einer systematischen Bearbeitungsweise möglichst flache Steinsplitter, Abschläge, abzutrennen, die dann zu Werkzeugen weiterbearbeitet wurden. Levallois-Kerne sind also letztlich nur das Abfallprodukt einer komplexen Steinbearbeitung mit dem Ziel, Grundformen für Waffenspitzen und Schlachtgeräte zu gewinnen. Der Kern ist dabei kein „klassischer“ Levallois-Kern, von dem nur ein Zielabschlag abgetrennt wurde, sondern umlaufend mehrere; also eine effiziente Methode der Rohmaterialnutzung.

Damit ist der Neandertaler, der bekannteste aller Urmenschen, erstmals für den Kreis Olpe nachgewiesen!

Während im nördlichen Sauerland, z.B. in den Höhlen des Hönnetales bei Balve, zahlreiche Reste aus der mittleren Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) bekannt sind, fehlten diese bisher aus den südlichsten Bereichen Südwestfalens, einschließlich des Kreises Siegen-Wittgenstein, vollständig. Doch war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis einem fleißigen Heimatforscher typische Steingeräte aus dieser frühen Zeit in die Hände fallen würden.

Der Neandertaler lebte vor etwa 280.000 bis gut 40.000 Jahren; der Neufund dürfte in die letzte Eiszeit vor vielleicht 80 - 40.000 Jahren gehören. Die Besiedlungsnachweise für den Kreis Olpe reichten bisher nur knapp 10.000 Jahre bis in die Mittelsteinzeit zurück.

Wir können G. Schmelter zu seinem Finderglück nur gratulieren und hoffen, dass auch andere – wieder – vermehrt in seine Fußstapfen treten werden.

 

Anmerkung zum Web-Link: auf Wikipedia ist u.a. eine nette Animation für einen „klassischen Levalloiskern“ zu finden.

M. Baales

 

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