Mein lieber Schwan - die alte Burg Gronau

30.06.2020 Carolin Steimer

Auf diesem Gemälde erkennt man ein zweistöckiges Haupthaus auf der linken Bildmitte.

Kleine Einführung

In Gronau wird seit November 2019 eine Ausgrabung durchgeführt, die in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist. Erfreulicherweise hatte sich noch unterhalb der Tiefgarage eines großen Kaufhauses umfangreicher archäologischer Befund erhalten. Dieser wird zudem begleitet von einem Fundaufkommen, das in Qualität und Quantität in Westfalen bislang singulär ist. Restaurierung und Konservierung sind eine Herkules-Aufgabe.

Gegenstand der Untersuchung ist die Burg Gronau. Deren Anfänge reichen wohl bis in die Jahre kurz vor 1300 n. Chr. zurück. Der älteste urkundliche Nachweis stammt aus dem Jahre 1365, als Bischof Florenz von Münster Balduin von Steinfurt mit dem „veste(n) hues tho bocholte“ belehnt und sich dieses gleichzeitig als Offenhaus vorbehält. Weitere Archivalien fassen die Anlage 1371 als „Slot to Groowe“ und 1374 als „Haus thor Gronouwe“. Nach Übergang an das Haus Bentheim im Jahre 1421 wird die Burg Gronau bis spätestens 1462 Sitz eines Rentmeisters, seit 1466 auch Witwensitz der Häuser Steinfurt und Bentheim-Steinfurt.

Ein zwischen 1630 und 1690 entstandenes Gemälde bildet die umgräftete Burg in einem jüngeren, renaissancezeitlichen Ausbauzustand ab. Eine Karte von 1730 überliefert den umfangreichen Baubestand auf Haupt- und Vorburg, bevor dieser sukzessive verschwand. Trauriger Höhepunkt des Niedergangs der Burg war der Abbruch ihres Hauptgebäudes im Jahre 1964 zur Anlage einer Haupterschließungsstraße, unter deren Asphalt die zugehörigen Fundamente zu verorten sind.

Blick auf die Fundamente des Bergfrieds. (Foto: Archäologie am Hellweg eG / H. Springer)

Die Ausgrabung in Gronaus alter Stadtmitte

Die nördliche Hälfte der alten Hauptinsel der Burg wurde 1979 mit einem großen Kaufhaus überbaut. Ein aufmerksamer und vielseitig interessierter Geologe und Baugrundsachverständiger, Herr Dr. Schleicher aus Gronau, verzeichnete seinerzeit sorgfältig die alten Gräftenverläufe und Überreste des runden Bergfrieds der alten Burg. Seine Beobachtungen konnten im Laufe der aktuellen Ausgrabung weitgehend verifiziert werden. Daneben legte das Team der Grabungsfirma „Archäologie am Hellweg eG“ aber noch weitere Baustrukturen frei, mit deren Erhalt kaum mehr zu rechnen gewesen war.

Dazu gehören Teile der alten Ringmauer, eine hölzerne Brückenkonstruktion, die Fundamente des Bergfrieds sowie ein älterer Dinkelverlauf, aus dessen Verfüllung größere Mengen eisenzeitlicher Keramik des 8. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. geborgen wurden.

Dolch mit Griff aus Bein, kunstvoll geformt wie der Zahn eines Narwals. (Foto: LWL-AfW /A. Weil Helmbold)

Was für ein Fundspektrum!

Sensationell sind die Funde, die aus dem spätmittelalterlich bis frühneuzeitlichen Gräftenschlamm unmittelbar vor der Ringmauer und im Umfeld der Brücke geborgen wurden. Dank eines hohen Wasserstandes, d. h. Lagerung in sauerstoffarmem Milieu, sind Eisen- und Buntmetallfunde kaum korrodiert. Bestandteile aus organischen Materialien wie Holz, Leder, Bein und Horn sind weitestgehend erhalten. Als Beispiele seien ein Dolch, dessen beinerner Griff den Zahn eines Narwals imitiert oder Armbrustbolzen mit vollständigem Holzschaft genannt.

  • Die Highlight-Funde. Aus der linken Seite des Tisches ist die lange Hakenbüchse zu sehen. (Foto: LWL-AfW / A. Weil Helmbold)

  • Eine kleine Auswahl der unzähligen Armbrustbolzen. (Foto: LWL-AfW / A. Weil Helmbold)

  • Das Leder ist hervorragend erhalten. Diese Sohle mag den Fuß eines jungen Burgbewohners geschützt haben. (Foto: LWL-AfW / A. Weil Helmbold)

  • Ein Horn aus Pfeiffernton. (Foto: LWL-AfW / A. Weil-Helmbold)

  • Auf den Schiefer wurde eine Sonnenuhr geritzt. Eine Entzifferung des Textes steht noch aus. (Foto: LWL-AfW / A. Weil Helmbold)

Zeugen des Lebensalltag auf einer westfälischen Burg

Das Spektrum der Funde könnte kaum breiter sein: Von Kriegswaffen liegen weit über einhundert Armbrustbolzen und Pfeilspitzen, Bliden- und Geschützkugeln sowie Teile von Rüstungen vor.

Besonderes Highlight ist eine vollständig erhaltene, mit Schrot geladene Hakenbüchse mit Herstellermarke.

Handwerkszeuge begegnen in Form von Beilen und Äxten, Ahlen und Feinwerkzeugen des Schuhmacher- und Beinschnitzergewerbes. Beide Handwerke haben auch unzählige Produktionsabfälle hinterlassen. An Lederfunden bestechen neben Vertretern vielfältiger Schuhmoden auch Teile der Oberbekleidung und/oder des Zaumzeugs.

Zum Hausrat gehörten eine Sonnenuhr aus Schiefer, diverse Beschlagteile sowie Becher- und Blattkacheln von Öfen. Nuppenbecher und feine Gläser venezianischer Art ergänzen das Ensemble keramischen Tisch- und Gebrauchsgeschirrs. 

Die Wetterfahne in Form eines Schwans. (Foto: LWL-AfW /An. Weil Helmbold)

Stolzes Symbol der Stadt Gronau- damals wie heute

Von ganz besonderem Wert sind zwei Artefakte, die unseres Wissens erstmals einem archäologischen Fundkomplex angehören: es handelt sich um zwei Wetterfahnen, von denen die einfachere als geschwungene Fahne aus dünnem Kupferblech gearbeitet und mittels Ösen an einem Eisenstab befestigt ist.

Die aufwändigere ist in Gestalt eines Schwanes aus dicker gewalztem Kupferblech geschnitten. Mittels angenieteter Tülle war sie drehbar auf der Spitze einer Eisenstange befestigt. Beide Wetterfahnen bekrönten ehedem Gebäude der Hauptburg. Der Schwan verwies als Wappentier auf die Herrschaft, nämlich die Dynastie der Steinfurter. Im Wappen der Stadt Gronau tut er dies auch heute noch.

Die Einschusslöcher in beiden Wetterfahnen könnten Hinweis auf die oft nicht ganz harmonische Beziehung zwischen dem Bischof von Münster und dem Hause Steinfurt sein; vielleicht auch der Grund für die vielen Waffenfunde in der Gräfte.

 

Text: Wolfram Essling-Wintzer und Christian Golüke