Neugestaltung erbringt neues Altes

01.08.2022 Michael Baales

Neuenrade: Die gefundenen Mauern befanden sich im nordöstlichen Bereich des Bürgermeister-Schmerbeck-Platzes (LWL-AfW Olpe/Thomas Poggel)

Neugestaltung erbringt neues Altes

Archäologische Baubegleitung in Neuenrade

Zurzeit wird in Neuenrade der Bürgermeister-Schmerbeck-Platz neugestaltet. Im Zuge dessen mussten mehrere tiefe Bodeneingriffe vorgenommen werden. Dies rief die Olper Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen auf den Plan, die die Arbeiten begleitete.

Das starke Interesse der Archäolog:innen für diesen Bereich der Neuenrader Innenstadt ist schnell nachvollziehbar, sobald man sich mit den historischen Quellen zu Neuenrade auseinandersetzt. Die Gründung der Stadt Neuenrade und ihrer Burg erfolgte bereits 1353 und beides wurde rasch planmäßig angelegt und befestigt. Möglicherweise stammt daher das heutige, für Neuenrade typische, markante Straßenbild. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert litt Neuenrade unter mehreren Brandkatastrophen, ein Umstand, der die Bebauungen nachhaltig prägte. Bei Betrachtung der historischen Karten wie z.B. dem Urkataster von Neuenrade fällt auf, dass der heutige Bürgermeister-Schmerbeck-Platz einst bebaut war. Für die Archäologie ist das ein entscheidender Hinweis: Hier könnte die Vergangenheit schlummern!

Als Mitte Juli dann der Bagger endlich auf den Platz rollte, wurde die Vergangenheit tatsächlich geweckt: Nach gut 2,10 m Tiefe wurde eine Mauerkrone sichtbar! Vorsichtig und mit viel Geschick legten zunächst der Baggerfahrer mit schweren Gerät und anschließend die Fachkräfte der Außenstelle Olpe per Hand zwei ineinander verzahnte Bruchsteinmauern frei. Dabei wurde ersichtlich, dass es sich um einen Innenraum handelte, denn nach „Innen“ waren die vermörtelten Steine fein säuberlich, mit glatter Seite nach vorne in Lagen gesetzt worden, die sogenannte Schauseite. Nach „Außen“ hingegen lagen die Steine regellos, ja fast schon willkürlich übereinander.

Der Innenraum war verfüllt mit Schutt. Möglicherweise Reste von Abbrucharbeiten? (LWL-AfW Olpe/Fabian Geldsetzer).

Nachdem die Mauern dokumentiert worden waren, u.a. wurde ein 3D-Modell im sogenannten Structure from Motion-Verfahren (SfM) erstellt, wurden die obersten Mauerlagen händisch entfernt. Die Erfahrung zeigt, dass sich durchaus Funde zwischen den Steinen und im Mörtel tätigen lassen. Auch hierbei hatten die Archäolog:innen den richtigen Riecher: Im Mörtel fanden sich zwei Metallobjekte, welche wahrscheinlich beim Anrühren oder Auftragen des Mörtels in diesen gefallen und schließlich mit ihm verbacken waren. Bei einem der Funde handelt es sich um eine Art „gezogenen Nagel“. „Gezogen“ bezieht sich hierbei auf die Machart und bedeutet, dass der Nagel nicht geschmiedet wurde und daher nicht sehr alt ist. Dr. Manuel Zeiler, Archäologe der Außenstelle Olpe, datiert ihn auf das 18. bis 19. Jahrhundert. Dadurch können die Mauern ebenfalls auf diesen Zeitraum datiert werden. Ferner wurde für mögliche weitere Analysen eine Mörtelprobe mitgenommen.

Die studentische Volontärin Marleen Korte (Universität zu Köln) bei der Entnahme einer Mörtelprobe (LWL-AfW Olpe/Thomas Poggel)

Beim Vergleich der Grabungsergebnisse mit den historischen Karten fällt auf, dass u.a. für die Zeit um 1830 ein Gebäude auf dem Gelände des heutigen Bürgermeister-Schmerbeck-Platzes verbürgt ist. Die Datierung der gut 200 Jahre alten Mauern lassen es als recht annehmbar erscheinen, dass z.B. die Kellerreste dieses Gebäudes nun entdeckt worden sind.

Wieder einmal zahlte sich das Interesse der Archäolog:innen an einer Baustellenbegleitung aus. Doch auch die Bewohner Neuenrades haben ein großes Interesse an der Geschichte ihrer Stadt, wie die vielen neugierigen Besucher an der Grabung bewiesen.

Fabian Geldsetzer B.A.

 

Literatur: Westfälischer Städteatlas, 1,11. Neuenrade, hrsg. u. bearb. v. Heinz Stoob (1975).