Spurensuche in einem NS-Rüstungsbetrieb

29.01.2019 Carolin Steimer

Als die Nationalsozialisten ab 1933 im Deutschen Reich die Macht übernommen hatten und sämtliche oppositionelle Parteien, Einrichtungen und nicht in ihr Weltbild passende Gruppierungen und Minderheiten verboten und verfolgten, planten sie außenpolitisch eine Revision des Versailler Vertrages.

Dies sollte mit einem Krieg geschehen, der unmittelbar nach der Machtübernahme systematisch vorbereitet wurde. In diesem Zuge wurde unter dem Decknamen „Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH“ (kurz WiFo) eine Einrichtung gegründet, die verteilt im Deutschen Reich zentrale Lager für Treibstoff und Schmierstoffe aufbaute. Dies geschah meist gut versteckt in abgelegenen Waldgebieten, aber mit eigenem Bahnanschluss. Dort sollten im geplanten Krieg zum Beispiel Panzerverbände aufgetankt werden.

Spuren eines solchen Tanklagers finden sich heute noch in Herbram-Wald, Gemeinde Lichtenau im Kreis Paderborn. Der Ort ist nach 1945 aus den verbliebenen Gebäuden des ehemaligen Betriebes hervorgegangen. Bei der zunehmenden Aufsiedlung des ehemaligen Betriebsgeländes stoßen Archäologen immer wieder auf die Spuren dieses Bodendenkmals, so auch kürzlich bei der Errichtung eines Einfamilienhauses.

Das Baugrundstück in der Nähe der erhaltenen Verladerampe (links im Bild)

Überreste im Boden bei der aktuellen Untersuchung

Das ab dem Jahr 1937 errichtete Tanklager Bekenau ist in den vergangenen Jahren bereits gut dokumentiert worden. Es diente im Zweiten Weltkrieg zur Herstellung und Lagerung von Kraftstoffgemischen. Ein Bombenangriff am 28. März 1945 zerstörte das Gelände weitgehend, in der Folgezeit kam es zu Plünderungen durch die Zivilbevölkerung. Der Abbau und die Sprengungen der verbliebenen Maschinen, Gleise und Gebäude durch die britische Militärregierung führte zum systematischen Abbau des Betriebes. Dennoch sind unterirdische Tanks und Bunkeranlagen sowie Wohngebäude von Betriebsangehörigen und Wachmannschaften, Verwaltungsgebäude, eine Verladerampe und ein Löschteich erhalten.

Seit den 1950er Jahren entwickelt sich durch eine sukzessive Neu-Parzellierung und Bebauung die Ortschaft Herbram-Wald. Auch auf einem Grundstück am Josef-Kliegel-Weg entsteht derzeit ein Neubau, dessen bauvorbereitende Tiefbaumaßnahmen vom 17.12.2018 bis 19.12.2018 archäologisch begleitet wurden. Hier, an der Ecke zum südlich verlaufenden Erlenweg und in der Nähe der heute noch erhaltenen Verladerampe, befand sich ehemals das Kanisterlager II, in welchem mehr als 300 Natriumfässer gelagert wurden. Zwar waren die Grundmauern des 1945 zerstörten Gebäudes bereits beseitigt, dafür haben sich aber mehrere Elektrokabelkanäle sowie ein Abwasserschacht dieses Hauses im Boden erhalten.

Der Abwasserschacht im Bereich des ehemaligen Kanisterlagers II

Kleinfunde aus der Betriebszeit

Auch die Funde zeugen von der Nutzung und den Arbeitsabläufen im Tanklager. So fanden sich unter anderem zahlreiche Glasflaschenböden (Weiß-, Grün- und Braunglas), deren Stempelmarken ihre Herkunft aus verschiedenen Glashütten verraten. Mit 0,5 bis 0,7 Litern Fassungsvermögen können sie sowohl als Getränkeflaschen, als auch für in diesen kleineren Gebinden abgefüllte Reinigungsmittel, Brennstoffe o.a. genutzt worden sein.

Bakelitdeckel der Firma Spezialwerkzeug-Fabrik GmbH Feuerbach

Ein Deckel aus Bakelit mit Innengewinde weist die Marke ‚SWF‘ der Firma Spezialwerkzeug-Fabrik GmbH Feuerbach auf, die 1923 gegründet wurde und ab 1926 elektrische Fahrtrichtungsanzeiger sowie ab 1927 elektrische Scheibenwischer für die Automobilindustrie herstellte. Weitere Entwicklungen, darunter die Herstellung von Wischern für gekrümmte (Windschutz-)Scheiben ab 1935, machten das Unternehmen zu einem wichtigen Automobilzulieferer, vor allem auch für LKW. In Herbram-Wald zeugt der Fund des Deckels an dieser Stelle von dem stetigen Liefer- und Verladebetrieb innerhalb des ehemaligen Tanklagers. 

Text: Eva Manz und Sven Spiong