Uralter Baum schaute aus der Wiese heraus

06.07.2015 Carolin Steimer

Die in der Feuchtwiese erhaltene sogenannte „Baumleiche“ einer Eiche bestand noch aus einem langen Stamm und mindestens drei Astteilen

Als wir im November 2014 einen unklaren Holzbefund in einer Feuchtwiese bei Salzkotten-Scharmede kontrollierten, hätten wir uns nicht träumen lassen, was daraus in ein paar Monaten werden würde!

Schon lange wussten Anwohner und der Besitzer der Wiese, Marius Pötting, von Holzresten, die bei Trockenheit immer wieder aus der Wiese heraustraten. Um was es sich dabei handelte, war aber unklar. Weil die Bearbeitung der Wiese durch den Holzrest immer wieder behindert wurde, sollte der Befund durch die Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen in Abstimmung mit Herrn Pötting und dem Umweltamt des Kreises Paderborn – das Gebiet steht nämlich unter Naturschutz – fachgerecht ausgegraben, dokumentiert und dann aus der Wiese entfernt werden.
Bei der Ausgrabung zeigte sich dann schnell, dass es sich um einen umgestürzten Baum handelte. Weil er aber so weit an der Oberfläche lag, vermuteten wir, dass er recht jung sein musste. Zur Bestätigung trennten wir eine Scheibe aus dem Baum heraus, um über die Analyse seiner Jahrringe eine Datierung zu erhalten.

Die Probe für die dendrochronologische Untersuchung wurde an der dicksten erhaltenen Stelle des Stammes entnommenen

Nach einiger Zeit erhielten wir dann von Labor für Dendroarchäologie an der Universität zu Köln die überraschende Nachricht, dass der Baum rund 260 Jahre alt geworden war und der letzte vorhandene Jahrring in das Jahr 478 n. Chr. datiert. Weil bestimmt Teile des Baumes nicht mehr erhalten waren, musste Dr. Thomas Frank aus Köln aber einen gewissen Datierungsspielraum ansetzen, sodass der Baum zwischen 493 und 513 abstarb. Diese Datierung wurde mit einer zusätzlichen 14C-Analyse abgesichert. Sie bestätigte das Absterben des Baumes am Ende des 5. oder am Anfang des 6. Jahrhunderts.
Dieses Ergebnis war eine kleine Sensation, weil es aus der Zeit der Spätantike und des Frühmittelalters aus unserem Raum nur wenige archäologische Funde gibt, die man dendrochronologisch auswerten kann. Das heißt, dass auch die Jahrringkalender für diesen Zeitraum mit nur wenigen Proben hinterlegt sind. Der Baum aus Salzkotten ist daher ein besonders wertvoller Beitrag für Dendrochronologie und Archäologie.
Durch die Analysen von Prof. Dr. Renate Gerlach, Geoarchäologin vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und Dr. Ursula Tegtmeier vom Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln liefert der Baum auch neue Erkenntnisse zu der Umgebung, in der er vor etwa 1500 Jahren umstürzte. Er hatte an einem Flusslauf gestanden und war durch eine Uferunterspülung umgestürzt. Reste von Eichen- und Eschenästen sowie eine Haselnuss, die unter dem Baum gefunden wurde, zeigen, dass hier ehemals ein Auenwald gestanden hatte. Nachdem der Baum umgestürzt war, wurde er teilweise von Sediment umschlossen. Und weil der Boden in diesem Bereich dauerhaft feucht ist, konnte sich der Baumstamm in großen Teilen erhalten, obwohl er so nah an der Oberfläche lag.
Die Baumleiche von Salzkotten-Scharmede ist ein absoluter Glücksfall für die Wissenschaft und ein Beleg dafür, dass man bei einer archäologischen Ausgrabung immer wieder große Überraschungen erleben kann!

Text: Julia Hallenkamp-Lumpe

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