Ein Stück Technikgeschichte aus Schmallenberg

12.10.2016 Carolin Steimer

Blick auf den Abzugsgraben (von rechts kommend), den zum Mühlenkanal führenden unterirdischen Kanal (am Nordpfeil) und den abgedeckten Kanal vor der westlichen Giebelwand des Südflügels (beim Maßstab). Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Barocker Wasserbau im Kloster Grafschaft

Wichtige Zeugnisse der Technikgeschichte brachten jetzt Untersuchungen am Benediktinerkloster Grafschaft bei Schmallenberg zum Vorschein. Hier zeigte sich in der Erde, wie dereinst das Wasser von den Gebäuden abgeleitet und wirtschaftlich genutzt wurde. Diverse Kanäle waren im Boden verborgen, die mit ihrem Wasser den Mühlenteich speisten, der wiederum das Mühlrad antrieb.

Das im Jahre 1072 von Erzbischof Anno II. gegründete Benediktinerkloster Grafschaft bei Schmallenberg zählt zu den bedeutendsten Bau- und Bodendenkmälern der Region. Die reich begüterte Abtei zerstörten  1114 infolge des Investiturstreits kaiserliche Truppen. Danach folgte eine ausgesprochene Blütephase im 12. Jahrhundert. Nach einem wirtschaftlichen Niedergang folgte eine Phase der Erholung. Nach der Aufnahme des Konvents in die Bursfelder Kongregation im Jahre 1508 brachte erst 1612 die Wahl des Paderborner Abts Gabel Schaffen eine wirtschaftliche Konsolidierung. Anfang des 18. Jahrhunderts stand es um die klösterlichen Finanzen so gut, dass man von 1729 bis 1747 einen vollständigen Neubau von Kirche und Klausur in Angriff nahm. Das Kloster war dabei an die herrschaftliche Schlossarchitektur des Barocks angelehnt. Die Säkularisation 1804 und die folgenden Jahrhunderte hat es gut überdauert. Die Klosterkirche wurde 1832 mit Ausnahme des noch aus romanischer Zeit stammenden Westturms abgebrochen, der Nordflügel der Klausur folgte 1962.

Blick aus dem Abzugsgraben zur SW-Ecke des Südflügels (ursprüngliche Mauerecke modern gestört). Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Feuchtigkeitsschäden am Mauerwerk des Südflügels der Klausur bedingten jetzt den Einbau einer neuen Drainage. Dafür musste  ein ca. 1,20 m breiter und 86 m langer Grabens entlang der südlichen Außenwand angelegt werden. Die Arbeiten begleiteten die Archäologen des Referates für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie. Dabei konnte ein gemauerter, bis zu 1,60 m unterhalb des ehemaligen Pflasters liegender Abzugsgraben freigelegt werden. Er  setzte auf einer Strecke von 30 Metern westlich des Mittelrisalits des Südflügels an und verlief bis zu dessen SW-Ecke. Das kalkvermörtelte Mauerwerk wies einen Kern ebenso verarbeiteten Bruchsteinen sowie eine auf Sicht gearbeitete Mauerschale aus sorgfältig in Lagen versetzten, hammerrechten Sandsteinen  auf. Die hangseitige, vom Gebäude abgewandte Mauerkante war unmittelbar gegen den ausgestemmten Fels gesetzt worden. Stellenweise waren noch große Sandsteinplatten erhalten, die auf der Sohle des Kanals mit einem Gefälle von knapp 6 % verlegt waren. Da sie in das Fundament des barockzeitlichen Südflügels einbanden, muss der Graben zeitgleich angelegt worden sein. Dieser erfüllte mehrere Aufgaben: Zum einen nahm er neben dem Traufenwasser der großen Dachfläche auch das Hangwasser auf, zum anderen ermöglichte er die Belichtung des im Westteil des Südflügels unter der Küche gelegenen Gewölbekellers. An der SW-Ecke des Südflügels mündete der gut 30 Meter lange Abzugsgraben in einen Kanal, der das Wasser unterirdisch in nordwestlicher Richtung ab- und vermutlich dem Mühlenkanal zuführte. Hier wurde noch ein weiterer unterirdisch geführter Kanal entdeckt, der in gut 1,40 m Tiefe entlang der W-Wand des Südflügels verlief. Wahrscheinlich wurde durch ihn das Regenwasser des Gästehauses (Westflügel) sowie der nördlichen Dachseite des Südflügels abgeführt.

Vor dem Ostteil des Südflügels fand sich in einer Tiefe von ca. 0,50 m unterhalb der heutigen Geländeoberfläche anstatt eines äquivalenten Abzugsgrabens lediglich ein Traufenpflaster.  Es bestand aus polymorph gebrochenen Schiefer- und Grauwackeplatten, die bereits durch moderne Blitzableiter und Drainagen gestört waren, aber zweifelsfrei der Ausbauphase des Klosters in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zugewiesen werden können. Das Pflaster war unmittelbar über dem anstehenden, hier stark verwitterten Fels verlegt worden.

Wolfram Essling-Wintzer