Über ihr Lieblingsobjekt weiß die Archivleiterin einiges zu berichten: Die Urne stammt aus einem Gräberfeld in Warendorf-Milte und ist von Hand und nicht auf der Töpferscheibe gefertigt worden. Das ungewöhnlich große Gefäß mit einer Höhe von gut 30 Zentimetern ist mit einem für die Region um Nienburg (Niedersachsen) typischen Verzierungsmuster aus eingeritzten Strichgruppen und flachen runden Dellen verziert. „Da war ein Könner am Werk, der großes handwerkliches Geschick gehabt haben muss“, so Mecke. Besonders bemerkenswert finde sie den Henkel, der sehr aufwendig gestaltet ist und eventuell auf metallene Vorbilder zurückgeht. „Ein besonderer Glücksfall ist, dass die Urne bei ihrer Ausgrabung 1995 fast vollständig geborgen werden konnte“, sagt sie und weist auf die vielen Kartons in den Archivregalen hin, die meistens nicht mit komplett erhaltenen Fundstücken gefüllt sind, sondern mit Scherben und Teilen von Objekten.
Um mehr über ein Fundobjekt im Archiv zu erfahren, ist von Anfang an eine enge Zusammenarbeit gefragt zwischen Ausgräberinnen, Restauratoren und Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Fachrichtungen. Die Recherche sei oft wie das Zusammensetzen eines Puzzles, wie Mecke sagt. So haben zum Beispiel erst die anthropologischen Untersuchungen ergeben, dass es sich bei den in der Urne enthaltenen verbrannten Knochen, dem sogenannten Leichenbrand, um die Überreste eines etwa 30 Jahre alten Mannes handelte, so Mecke. Mit solchen Erkenntnissen, die sich aus mehreren Untersuchungen zum Objekt ergeben, können Forschungsprojekte entstehen, aus denen sich wiederum Examensarbeiten, Sonder- oder Dauerausstellungen ergeben. „Hier bei uns im Speicher finden Studierende sehr gute Arbeitsbedingungen und bei der Größe unseres Archivs bestimmt auch das entsprechende Fundmaterial vor, das sie brauchen“, sagt die Archivleiterin.
Trotz der großen Fülle an Funden im Zentralarchiv wächst die Sammlung stetig weiter. Vor allem der Anteil an archäologischen Objekten aus mittelalterlichem und neuzeitlichem Kontext sei hier bemerkenswert, wie Mecke feststellt. „Das liegt wohl auch an den neuen Arbeitsbereichen, die mit der Archäologie der Moderne entstehen. In den vergangenen Monaten sind große Fundmengen von Fundplätzen des Zweiten Weltkriegs, etwa Kriegsgefangenenlagern, zu uns gekommen“, so Mecke. „Aber auch die Industriearchäologie und mittelalterliche Töpfereibezirke liefern große Mengen an Fundmaterial, darunter oft ganz neue und ungewohnte Objekte und Materialien wie zum Beispiel die Reste eines Stahlwerks aus der Frühzeit der Industrialisierung.“ All diese Funde erfassen die Archivleiterin und ihre Kollegen in verschiedenen Datenbanken, mithilfe denen es möglich ist, nach bestimmten Objekten zu forschen und sie dann beispielsweise in Ausstellungen zu präsentieren. „Vielleicht wird auch die Nienburger Terrine demnächst einmal Teil einer Ausstellung“, sagt Mecke.
Hintergrund
Seit 2003 ist das LWL-Zentralarchiv in Münster das größte archäologische Archiv Westfalens und bietet Funden aus allen Epochen der Geschichte, von der Altsteinzeit bis in die jüngste Vergangenheit, ein Zuhause. Ob keramische Gefäße, Objekte aus Stein, Metall, Glas, Holz oder anderweitige organische Funde: Sie alle erzählen eine Geschichte aus 80.000 Jahren westfälischer Vergangenheit.
Autorin: Sarah Rütershoff, LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit