Wieder zusammengeflickt

28.05.2018 Carolin Steimer

Die Einzelteile der Schuhe, nachdem sie in der Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie für Westfalen gereinigt worden sind (Foto: LWL/Bretzel-Scheel).

Zwei restaurierte Lederschuhe aus Bocholt

Im Herbst 2017 kamen aus einer Grabung in der Brückenstraße in Bocholt einige Tüten Nasslederfragmente in die Restaurierungswerkstätten der Zentralen Dienste der LWL-Archäologie für Westfalen. Nach der Reinigung und zeichnerischen Dokumentation der Funde stellte sich heraus, dass es sich vermutlich um zwei rechte Schuhe aus der frühen Neuzeit handeln könnte. Neben einer Konservierung der Lederobjekte wurde von der zuständigen Restauratorin entschieden, den in vielen Teilen zerfallenen Schuh wieder zusammenzufügen.

Einer der beiden in Bocholt gefundenen Schuhe nach der Restaurierung (Foto: LWL/Bretzel-Scheel).

Archäologisches Nassleder muss nach der Bergung schnellstmöglich konserviert werden, um ein unkontrolliertes Trocknen und Verhärten der Ledersubstanz zu verhindern. In der Restaurierungswerkstatt in Münster wird bei archäologischem Nassleder das PEG-Verfahren in Kombination mit einer Behandlung per Gefriertrocknung angewendet. PEG ist ein wasserlösliches Kunstharz, das durch eine Tränkung in das Leder eingebracht wird und dadurch das Leder auch nach der Trocknung in einem flexiblen Zustand belässt.

Der Schuh wird in der Restaurierungswerkstatt mit einer Rundnadel wieder zusammengenäht (Foto: LWL/Bretzel-Scheel).

Nun kann im Anschluss, durch kurzzeitige Zufügung von sehr hoher Luftfeuchtigkeit, das Leder wieder flexibel gemacht werden, sodass eine Rückformung der Lederfragmente möglich ist. Das Leder aus Bocholt war so gut erhalten, dass eine Rückformung und ein vorsichtiges Zusammenfügen der einzelnen Schnittteile ohne Probleme möglich war. Die Lederfragmente wurden an den gut erhaltenen Stellen mittels einer extrem feinen Rundnadel und Polyester Nähgarn vorsichtig zusammengenäht. An wenigen gut erhaltenen Stellen wurden die Fragmente mittels Edelstahlstecknadeln zusammengefügt. Im vorderen Bereich der beiden Schuhe sitzt im Inneren eine Verstärkung aus Ethafoam, einem weichen Kunststoff.

Beim Zusammennähen können oftmals die ursprünglichen Nahtlöcher genutzt werden (Foto: LWL/Bretzel-Scheel).

Nach der Restaurierung und Recherche kann folgendes über die Schuhe gesagt werden: Die beiden rechten Schuhe aus Bocholt stammen wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert und waren luxuriöse Hausschuhe. Vergleichbare Objekte gibt es wenige. Die im Oberleder vorhandenen Ritzungen entsprachen der damaligen Mode von Hausschuhen und wurden wohl auch immer wieder zur Erhöhung des Tragekomforts vom Schuhträger selbst eingeschnitten. Bei einem der beiden Schuhe könnte ursprünglich auch ein Überzug aus Textil vorhanden gewesen sein, da dort charakteristische  Nahtlöcher auf dem vorderen Teil des Oberleders gefunden wurden. Die Schuhe wurden in der Verfüllschicht eines Brunnens gefunden, der zu einem späteren Zeitpunkt offenbar auch als Latrine gedient hat. Wahrscheinlich wurden die Schuhe dort entsorgt.

Text: Susanne Bretzel-Scheel

Der zweite Schuh aus Bocholt in fertig restauriertem Zustand (Foto: LWL/Bretzel-Scheel).