Die glorreichen Sieben – Sieben Jahre Projektentwicklung

11.04.2024 Sandra Goertz

2012 wurden am Gerhardsseifen gleich zwei gut erhaltene Montanphasen freigelegt. Links befindet sich ein nichtausgegrabener Block mit den Standspuren zweier mittelalterlicher Verhüttungsöfen, wogegen rechts ein eisenzeitlicher Verhüttungsofen mit deutlich größerem Durchmesser liegt (Foto: Deutsches Bergbau-Museum Dominic Bachmann).

Gerhardsseifen-Serie 3/7

Am Wochenende vom 03. bis 05. Mai 2024 wird in Siegen-Niederschelden, Kr. Siegen-Wittgenstein, ein NRW-weit einmaliges denkmalpädagogisches Projekt eingeweiht. Es handelt sich um die konservierte Ausgrabung überregional einzigartiger Verhüttungsbefunde der Eisenzeit sowie des Hochmittelalters in einem Schutzbau. Dieser ist in einem Themenpfad eingebettet – der EisenZeitReiseWeg – der die Besuchenden per Zeitreise von der Gegenwart bis in die Keltenzeit führt.

Die LWL-Archäologie für Westfalen hat erheblichen Anteil an der erfolgreichen Umsetzung dieses Projektes. Mit einer Miniserie auf dem Blog der LWL-Archäologie für Westfalen möchten wir daher die Entwicklung des Projektes beschreiben. Wir laden herzlich zur Eröffnung ein!

Diese schematische Darstellung der wichtigsten Hüttenbefunde der Eisenzeit (gelb, orange, rot, lila) und des Mittelalters (grün) zeigt die große Gesamtausdehnung der wichtigen Strukturen (Grafik: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner u. LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Was bisher geschah

Die archäologische Ausgrabung hervorragend erhaltener Verhüttungsbefunde der Eisenzeit und des Mittelalters am Gerhardsseifen bei Siegen-Niederschelden 2012 erbrachten ein großes öffentliches Interesse und den Wunsch zu deren Erhaltung und langfristiger Präsentation.

Entgegen den eigenen Forschungsplänen respektierten die Archäologinnen und Archäologen diesen regionalen Wunsch und konservierten die Befunde im Herbst 2012. Sie wurden wieder geschützt und eingegraben. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, wie lange der folgende Prozess zur Erhaltung und Präsentation dauern würde …

Schutzbau bei Acqua Fredda in Italien (Trentino). Dieser sehr ‚luftige Schutzbau‘ am originären Standort einer wichtigen archäologischen Ausgrabung … (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler)

Eine Idee

Schon mit dem Zeitpunkt der Konservierung der Ausgrabung war klar, dass nun ein Projekt startet, dass kaum Vorbilder hat, das erhebliche Schwierigkeiten und großen Aufwand mit sich bringt, um den Erhalt sowie die Präsentation der archäologischen Strukturen zu realisieren. Im Fokus stand ja eine Fläche von über 100 Quadratmetern mit den exzellent erhaltenen Befunden des Mittelalters und besonders der Eisenzeit.

Es gibt keine vergleichbaren kulturtouristischen Darstellungen archäologischer Befunde in der Bundesrepublik. Im Trentino bei Acqua Fredda in Italien hingegen gibt es ein wichtiges Vorbild: Hier, auf 1445 m Höhe über NN, erforschte die Landesarchäologie Trentino und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum unter Jan Cierny über viele Jahre bis 1995 eine spätbronzezeitliche (13.-11. Jahrhundert v. Chr.) Kupferverhüttung mit herausragend erhaltenen Befunden. Es gelang dort einen Teil der imposanten Strukturen zu erhalten, zu konservieren und mit einem Schutzbau der Öffentlichkeit zu präsentieren.

… schützt und präsentiert Verhüttungsanlagen der Bronzezeit. Man sieht auf diesem Foto die nischenartigen Hohlräume der Schachtöfen in der Mauer (die Vorderseite wurde nach dem Verhütten herausgebrochen). Rechts im Hintergrund ist schematisch ein Handwerker dargestellt (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

In einem sehr offenen Schutzbau können die Besuchenden die Befunde betrachten und werden mittels Hinweistafeln weiterführend informiert. Geländer und teilweise Fenster trennen Besuchende und Befunde zum Schutz des kulturellen Erbes (Hier der Link zum Projekt).

2013 legten das Deutsche Bergbau-Museum Bochum sowie die LWL-Archäologie ein umfassendes Konzept zur Restaurierung und Präsentation der Ausgrabung Gerhardsseifen vor

Auf zwei Wegen eine Vision entwickeln

Den ersten Weg bereiteten das Deutsche Bergbau-Museum Bochum (J. Garner) und die LWL-Archäologie für Westfalen (M. Zeiler) 2013 mit einem umfangreichen Konzept zur Konservierung und kulturtouristischen Inwertsetzung des Ausgrabungsgeländes.

Das Konzept umfasste auch eine detaillierte Planung für Themenwanderwege, die zum Gerhardsseifen führen und dort eine Rundtour erlauben (rot) sowie mit neuen Wegeabschnitten (blau, schwarz u. lila) an bestehende Wanderwege anknüpfen (braun) und mit einem zusätzlichen Rundweg den Rothenberg (grün) mit seinen vielfältigen montanarchäologischen Fundstellen hätten erschließen können (Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Die umfangreiche Studie skizzierte den Restaurierungsaufwand, kalkulierte dessen Kosten und machte Vorschläge für die Präsentation und den dauerhaften Erhalt der Befunde. Das Darstellungskonzept war weitreichend, denn es konzeptionierte sowohl das eigentliche Ausgrabungsareal und band es zudem in einen Themenwanderweg ein, der wiederum mit weiteren Themenwanderwegen an die bestehende Wanderwegstruktur anknüpften sollte.

Diese jüngereisenzeitliche Eberstatuette fand der Heimatforscher Fritz Diez nahe Erwitte. Sie stammt vermutlich aus dem Ostalpenraum und verdeutlicht die weiträumigen Kulturbeziehungen zur Zeit der keltischen Zivilisation (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Stefan Brentführer).

Die "Ofensau"

Auch reifte in dem Konzept die Idee eines Logos, dass einen mehrdeutigen Fachbegriff verwendete: Die „Ofensau“ ist im Hüttenwesen ein Schlackenklotz, der nach der Eisenverhüttung im Ofen zurückbleibt. Zugleich war das Wildschwein bzw. der Eber ein starkes Symboltier in der keltischen Zivilisation. Warum also beides nicht verbinden?

Aus dem Eber von Erwitte wurde dann die ‚Ofensau‘ als Logo für das kulturtouristische Projekt am Gerhardsseifen. Um zur korrekten Ofensau zu werden, wurde aber dem Logo später noch der Hauer gezogen (Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler)

Damit war die ‚Ofensau‘ als Logo geboren. Grafisch diente eine späteisenzeitliche Eberstatuette aus Erwitte als Vorbild, die so zum Logo des Gerhardsseifen-Projektes wurde.

Die Architektin Heike Balzer fertigte dieses ansprechende Architekturkonzept für das Gerhardsseifen an. In einen Bau mit Corten-Stahlwänden sollte die Ausgrabung über zwei Ecknischen sichtbar sein. Am Boden außerhalb deutete die Architektin in der Untergrundgestaltung die Ausdehnung der beiden neuzeitlichen Platzmeiler an, die innerhalb des Schutzbaus nicht mehr erhalten sind.

Den zweiten Schritt ging die Stadt Siegen 2017 mit einen Architekturwettbewerb an der Universität Siegen und sammelte Vorschläge, wie das Konzept der Archäolog:innen von 2013 architektonisch umgesetzt werden könnte.

Die zahlreich eingereichten Konzepte umfassten begehbare Schutzbauten und Gebäude, bei denen die archäologischen Befunde vor dem direkten Besucherkontakt geschützt sind. Letztere Konzepte überzeugten und die Stadt Siegen entwickelte darauf aufbauend einen Schutzbau mit den eigenen Mitarbeiter:innen.

Besonders die Architektin Heike Balzer (damals: Untere Denkmalbehörde Siegen) erarbeitete ein ästhetisch ansprechendes Bauwerk mit Cortenstahl-Fassade – eine zündende Idee! Der Schutzbau sollte ca. 100 Quadratmeter groß sein. Über zwei gegenüberliegende Sichtnischen an den Gebäudeecken sollten Besuchende die archäologischen Befunde betrachten können. Durch Luftschlitze in den Wänden sollte eine ausreichende natürliche Zirkulation gewährleistet sein, die eine Erhaltung der archäologischen Strukturen mit geringem Aufwand sicherstellen sollte. Eine Annahme, die sich als falsch herausstellen sollte …

Besonders die Architektin Heike Balzer (damals: Untere Denkmalbehörde Siegen) erarbeitete ein ästhetisch ansprechendes Bauwerk mit Cortenstahl-Fassade – eine zündende Idee!

Der Schutzbau sollte ca. 100 Quadratmeter groß sein. Über zwei gegenüberliegende Sichtnischen an den Gebäudeecken sollten Besuchende die archäologischen Befunde betrachten können. Durch Luftschlitze in den Wänden sollte eine ausreichende natürliche Zirkulation gewährleistet sein, die eine Erhaltung der archäologischen Strukturen mit geringem Aufwand sicherstellen sollte. Eine Annahme, die sich als falsch herausstellen sollte …

Der Verein „Ein Siegerländer Tal e.V.“ mit zahlreichen Mitgliedern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz widmet sich seit 2016 dem Erhalt des montanhistorischen Erbes und fokussiert dabei das Gerhardsseifen (Foto: unbekannt).

Endlich: Ein neuer starker Akteur ist da!

Am 30. März 2016 vereinbarten landesübergreifend die Heimatvereine Gosenbach, Oberschelden, Niederschelden, Niederschelderhütte, Mudersbach und Brachbach sowie VertreterInnen der Stadt Siegen und der Ortsgemeinde Mudersbach, dem Heimatbund Siegerland-Wittgenstein und einige Einzelpersonen die Gründung des gemeinnützigen Vereins „Ein Siegerländer Tal e.V.“ (https://www.einsiegerlaendertal.de/index.php). Der Vereinsname nimmt bewusst Bezug auf die große Bedeutung der Siegerländer Täler als Verbindungsachsen der Menschen, die, wie es der 2. Vereinsvorsitzende Christian Weber 2016 in der Siegener Zeitung formulierte, den Blick über den Tellerrand erzwingen.

Anlass der landesgrenzenübergreifenden Kooperation war nicht die Ausgrabung am Gerhardsseifen, sondern die Erhaltung bedeutender Röstöfen in Siegen-Gosenbach aus der Hochindustrialisierung – ein Thema, dass eine eigene Blog-Reihe bei der LWL-Archäologie für Westfalen Wert wäre und daher hier leider nicht weiter ausgeführt werden kann…

Wichtig für die Gerhardsseifen-Thematik ist hingegen, dass der Verein sich seit seiner Gründung nicht nur etwa des Gerhardsseifens sofort annahm, sondern nun der bedeutende Akteur aller Maßnahmen hier wurde.

Bereits in der Vereinssatzung legte nämlich der Trägerverein sein Engagement für die Ausgrabung am Gerhardsseifen, sowie ihren Schutz und ihre Präsentation als grundlegende Aufgabe fest. Außerdem wurden von Anfang an die Stadt Siegen, der Kreis Siegen-Wittgenstein sowie die Waldgenossenschaft Niederschelden integriert – damit saßen alle regional Verantwortlichen an einem Tisch. Zugleich warteten auch die Archäologen darauf, loslegen zu können: Endlich würde das Projekt Gerhardsseifen in die nächste Stufe eintreten …

2017 und 2018 fanden im LWL-Freilichtmuseum Hagen archäologische Experimente der Forschungskooperationspartner statt. Es gelang dadurch die Arbeitsabläufe am Gerhardsseifen und die dortige Betriebsstruktur zu rekonstruieren (LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler).

Ein archäologisches Experiment

Die LWL-Archäologie für Westfalen, das Deutsche Bergbau-Museum Bochum sowie die Ruhr-Universität Bochum blieben aber derweil nicht untätig: Die Auswertung der archäologischen Ausgrabung am Gerhardsseifen erbrachte nämlich, dass in der darauffolgenden hochmittelalterlichen Epoche nahezu alle stark eisenhaltigen Schlacken der Eisenzeit ausgegraben und recycelt wurden. Folglich war eine Hochrechnung anhand der eisenzeitlichen Schlackenmengen ungeeignet, die eisenzeitliche Eisenausbringung zu verstehen. Was tun?

Die wissenschaftliche Lösung lag in zwei aufwändigen Experimenten, die die Forschungskooperationspartner 2017 und 2018 im LWL-Freilichtmuseum Hagen unter Federführung der LWL-Archäologie durchführten. Sie wurden international beachtet und arbeiteten erstmalig mit einem Rennofen nach archäologischem Vorbild aus der jüngeren Eisenzeit des Siegerlandes – die größten Verhüttungsofen ihrer Zeit in Europa.

Die Ergebnisse waren erstaunlich und wurden als zwölfteilige Serie auf dem Blog der LWL-Archäologie bereits publiziert (Am Ende dieses Beitrages stellen wir alle Links dieser Serie zusammen).

Auch realisierte das Deutsche Bergbau-Museum um das Experiment herum einen sehr anschaulichen Film, der zwar nicht kurz ist, aber die Gesamtthematik unterhaltsam präsentiert. Wir empfehlen allen Interessierten diesen Film!

Wichtig ist, dass die Experimentreihe wesentlich zum Verständnis der Werkstatt am Gerhardsseifen beitrug und der Film darüber hinaus das Auge schärfte, wie kulturtouristisch die Thematik an die interessierte Öffentlichkeit transportiert werden kann.

2019 eröffnete die neue internationale Dauerausstellung zur Montanarchäologie im Deutschen Bergbau-Museum Bochum. Das Highlight zur Eisenzeit ist das Modell eines Siegerländer Verhüttungsofens. Aber nur am Gerhardsseifen bei Siegen-Niederschelden sind derartige Befunde im Original erhalten (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Michael Baales).

Desweiteren wurde im Deutschen Bergbau-Museum 2019 die neue Dauerausstellung zur Montanarchäologie eingeweiht. Dort bekam die eisenzeitliche Montanlandschaft des Siegerlandes sogar eine eigene Abteilung, gekrönt von einem Verhüttungsofenmodell.

Text: Manuel Zeiler

Linksammlung zum Rennofen-Experiment

Kategorie: Außenstelle Olpe

Schlagworte: Olpe · Siegerland · Montangeschichte